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von Cristin Liekfeldt

Der mit den Regenschirmen tanzt

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Der mit den Regenschirmen tanzt

Der Wind streicht warm durch die hippen Straßen Kreuzbergs, als ich mich auf die Suche nach Pionieren mache. Soweit die Definition es hergibt, suche ich nach jemand Kreativem, jemandem, der neue Produkte, Projekte und Prozesse etabliert und dabei von einer inneren Mission geleitet wird. Eigentlich sollte das kein Problem sein, immerhin laufe ich gerade durch Berlin, den Ort in der Welt, den jeder um seine Kreativen beneidet. Diese Stadt sollte eigentlich platzen vor lauter Pionieren. Heute treffe ich Alessio, den Freund eines Freundes, von dem ich bisher nur das weiß: Er ist ein Jongleur und Zirkusartist und hat zwei Unternehmen gegründet (Bus Theater und Artekor Duet). Vielleicht hat er ja das Zeug zum Pionier.

Was aber macht den Unterschied zwischen einem „Durchschnittskreativen” und einem Pionier? Wodurch sticht der Pionier hervor? Diese Frage beschäftigt mich schon länger und heute werde ich ihr auf den Grund gehen.

Als Alessio mir entgegenkommt, sehe ich sofort, dass er irgendwie anders ist. Er trägt eine Offenheit im Herzen und im Gesicht, die man eigentlich gar nicht übersehen kann. Für mich sieht er aus wie ein laufender Kleiderschrank mit offenen Türen und Schubladen, der seine Charakterzüge zeigt wie bunte Kleider, die aus ihm herausfallen. Dieser große, dünne Mann mit den großen neugierigen Augen und dem schwarzen Charlie-Chaplin-Hut schreit förmlich nach Theater.


Meine Arbeit ist mein Leben und mein Leben ist meine Arbeit

„Also, dann erzähl mal. Was machst du denn eigentlich?” frage ich und nehme einen Schluck von meinem Cappuccino. und wahrscheinlich ist das die Frage, die alles Weitere erklären wird.

„Tja, das ist eine Frage, die ich oft höre und über die ich viel nachdenke. Wenn mich Menschen danach fragen, sage ich meistens ‚Ich bin ein Zirkusartist‘. Das schockt sie dann erst einmal genug. Und dann versuche ich zu erklären, was das eigentlich heißt. Das ganze Konzept Zirkus hat sich in den letzten Jahren verändert. Ich arbeite zum Beispiel nicht mit Tieren, da bin ich eindeutig Vegetarier. Ich bin Jongleur, ein Performancekünstler, ein Gründer, ein Manager. Eigentlich habe ich immer mindestens drei Jobs. Gerade bin ich Lehrer an der Etage — Schule für darstellende Künste, ich manage und koordiniere ein Philosophie-Festival und ich performe auf der Bühne.“

Als ich – angesichts der drei Jobs – frage, wie viele Stunden Alessios Arbeitstag eigentlich hat, schaut er mich etwas verwirrt und irritiert an. 

„24 Stunden?!“ sagt er.

„Ah, das ist witzig. Also schläfst du nicht? Was bist du, ein Vampir?“

Alessio denkt kurz nach. Dann schüttelt er den Kopf und meint: „Nein, aber ich arbeite ja auch während ich schlafe. Ich muss ja verdauen, den Tag verarbeiten, weißt du?“

Hm, ich bin nicht so ganz überzeugt. Klar, es ist ein guter Punkt, dass unser Körper automatisch und immer arbeitet. Aber das ist nicht die Art von Arbeit, die ich meine. „Schau mal, ich arbeite nicht. Ich lebe. Oder eigentlich beides zugleich. Meine Arbeit ist mein Leben und mein Leben ist meine Arbeit.“


Ich nenne es „Forschung“

„Aber du musst doch auch irgendwann einmal Pause machen, oder nicht? Einfach mal entspannen?“ Ich muss einfach fragen. Wieder denkt er kurz darüber nach.

Dann lacht er und zuckt mit den Schultern. „Nein, eigentlich nicht. Ich weiß nicht. Alles ist Arbeit und nichts ist Arbeit. Arbeit bedeutet für mich, dass ich mir Objekte ansehe und ihre physikalischen Gesetze untersuche, damit herumprobiere, ein Konzept erstelle, mit Menschen spreche und übe. Dann wieder verarbeite ich die Informationen, vermische Erkenntnisse mit anderen, dann trete ich auf. Ich bringe Geld auf und lerne. Ich nenne es Forschung.“

„Okay aber meiner Erfahrung nach zahlt niemand für diese Art von Forschung. Wie schaffst du es, zu überleben?”

„Ja, das ist wahr. Ich arbeite etwa 90 Stunden an einer Performance. Dafür zahlt niemand. Ich verdiene mit einer einzigen Stunde Performance mein Geld, das war es. Manchmal resultiert einer meiner Jobs in Geld, manchmal ist es ein anderer. Mein ganzes Konzept von Geld und Gehalt ist ein anderes. Ich werde immer nach einem Weg suchen, Geld zu verdienen, aber ich mache das alles nicht wegen des Geldes. Ich lebe so, weil mich das Unbekannte reizt. Ich möchte wissen. Ich könnte auch gar nicht anders leben. Und ich habe es wirklich versucht. Ich habe in einem Geschäft gearbeitet, habe versucht dieses Leben zu leben, in dem man mir sagt wann ich was zu tun habe und wie viel ich wert bin. Es ist einfach nichts für mich.“

„Also ist das, was dich antreibt, im Prinzip die Neugier? Kann man das so sagen?“

„Klar, absolut. Es gibt nicht den einen Weg. Habe ich einmal etwas herausgefunden und verstanden, bin ich mit dem Thema fertig. Dann suche ich mir ein anderes. Wenn ich irgendwann aufhöre, zu suchen, ist mein Leben vorbei. Oder hat sich zumindest massiv verändert. Und ich glaube nicht dass ich das möchte."


So sieht es aus, wenn Alessio Ferrara mit Regenschirmen tanzt.






Vom Erfolg, Scheitern und Glück finden

Während wir weiter über das Leben, Leidenschaft und die Mission, die einen antreibt, reden, begreife ich, dass das Leben als ein Pionier ein extremes Leben sein muss. Es bedeutet, mit einer Frage oder einem Bedürfnis zu leben, dass jeden Tag die Gedanken bestimmt. Und ich verstehe langsam, wie es ist, wenn man einfach nicht anders kann, als sich mit einem Thema jeden Tag zu beschäftigen, ohne zu wissen, ob man damit erfolgreich sein wird.

Alessio lebt ständig im Risiko. Nicht nur mit dem Risiko, eines Monats nicht genug Geld zu bekommen, sondern auch mit dem Risiko, sich bei einer akrobatischen Performance mit Backflips und Salti die Knochen zu brechen. Das würde ihm die Lebensgrundlage nehmen.

„Ich scheitere ständig. Eigentlich scheitere ich 99 Prozent meiner Zeit. Ich probiere aus, ich scheitere, ich lerne daraus und dann versuche ich es wieder. Und in diesem verbleibenden Prozent der Zeit finde ich irgendetwas Großartiges. Und dann fühle ich mich - wie soll ich sagen – wie ein Gott!“ 

Er breitet seine Arme aus und strahlt über das ganze Gesicht.


Offensichtich findet dieser Mensch das Glück darin, das Unbekannte zu akzeptieren, anzunehmen und es herauszufordern.

Unbekannt ist den Menschen, die zu Alessios Publikum gehören, das Theater.

„Ich habe das Bus Theatre gegründet, um die Erfahrung einer Live-Performance zu den Menschen zu bringen, die nicht zu einem Theater kommen können. Einige von ihnen haben noch nie irgendeine Art von Live-Vorstellung gesehen. Also, wie sagt man so schön; wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, dann kommt der Berg eben zum Propheten.“

Alessio und seine Truppe von Künstlern, Musiker und Theaterleuten hält nicht an der Sprache fest. Deshalb können sie auch in allen Teilen der Welt spielen. Sie fokussieren sich auf das Visuelle. Körpersprache, Mimik und Gestik. Und egal, ob er jetzt auf der Bühne steht oder seine Schüler unterrichtet – er füllt Menschen niemals mit Inhalten, Meinungen oder Techniken.


Ich bin ein Lernender

„Ich schocke meine Schüler und mein Publikum. Und ich lerne dann von der Interaktion mit ihnen. Ich frage, was genau sie sein wollen und dabei versuche ich zu helfen. Eigentlich bin ich kein Lehrer sondern Lernender.“

Der Bus, den Alessio und seine beiden Partnerinnen gekauft haben, hat zwei Etagen. Publikumsplätze und Bühne sind alles in einem. Es gibt viel Licht und viel Schatten und die Luft schwirrt vor Kreativität und Freiheit. Es riecht nach Abenteuer. Auch wenn er und seine Freunde scheitern, stolpern und sich ständig Neuem stellen, finden sie in diesem Leben einen Sinn.

Als wir uns voneinander verabschieden, hinterlässt Alessio eine Spur von glitzernder Fantasie in mir. Menschen wie ihn zu treffen, inspiriert mich dazu, meine eigenen Ängste und Zweifel zu überwinden.

Vielleicht ist es das, was wir von diesen Alltagspionieren lernen können. Egal ob sie Ingenieure sind, Astrophysiker, Erfinder oder eben Künstler: Was sie eint, ist etwas zutiefst Menschliches: die Neugier, die Faszination und die Herausforderung des Unbekannten. 


 

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