Es ist viertel vor neun an einem Montagmorgen an der Bernauer Straße. Ich bin heute nicht wegen der Berliner Mauer hier, ein bisschen Stadt-Geschichte bleibt dem Morgen aber nicht vorenthalten. Gespannt laufe ich auf das Ost-West Café zu. Ich bin nämlich auf dem Weg zum Gründerinnenfrühstück.
Doch gehen wir nochmal einen Schritt zurück.
In der Vergangenheit haben wir an dieser Stelle über Frauen berichtet, die unsere Welt nachhaltig verändert haben. Frauen wie die Astronautin Eileen Collins, die Mathematikerin Ada Lovelace oder die Wissenschaftlerin Marie Curie. Mit Blick auf die deutsche Startup-Szene stellt sich jedoch immer wieder die Frage: Wo sind die deutschen Gründerinnen?
Dass Frauen in der Startup-Szene und besonders unter Gründern eher selten sind, erlebe ich bei der Arbeit täglich. Ich möchte also wissen, wo sie sind, was sie machen, und warum. Dem Deutschen Startup Monitor 2017 zufolge lag der Anteil weiblicher Startup-Gründungen in 2017 bei 14,6 Prozent. Es sei das dritte Jahr in Folge ein leichter Anstieg seit 2013, als der Monitor anfing diese Daten zu erheben. Entmutigende Zahlen für eine junge Frau wie mich, und auch stundenlange Recherche ändert daran nicht viel. Auch bei Companisto sind nur bei 6 von 81 finanzierten Startups Frauen im Gründerteam (Edition F, Sawade, Copaltec, MyCouchbox, Replicate und Idana).
Ich mache mich also auf die Suche nach Frauen, die gründen. So stoße ich auf die Gründerinnenzentrale, die 2006 von der WeiberWirtschaft eG gegründet wurde. Sie dient als erste Anlaufstelle für Gründerinnen und jene Frauen die, die es werden wollen. Im Rahmen ihrer Dienstleistungen bieten sie mehrere Veranstaltungen und Events an, also suche ich mir eins zum Reinschnuppern aus. So bin ich an diesem Montagmorgen zum Gründerinnenfrühstück gestoßen.
Allmählich füllt sich der Tisch und während weitere Frauen eintreffen, werden noch mehr Tische und Stühle ran gezogen, damit wir alle Platz haben. Als es losgeht, sind wir schon zu elft – zehn Teilnehmerinnen und eine Repräsentantin der Gründerinnenzentrale. Vier weitere Teilnehmerinnen kommen im Laufe des Treffens dazu.
Ein paar Lichtblicke gab es während meiner Recherche doch: Frauen machen rund 40 Prozent aller Selbstständigen bzw. Existenzgründungen aus (DSM 2017; KfW Gründungsmonitor 2017). Das spiegelt sich auch in unserer Frühstücksrunde wider.
Die meisten anwesenden Frauen haben sich entweder schon selbstständig gemacht oder wollen dies tun. Die wenigsten sprechen das Thema Mitarbeiter an, denn ihre Annahme ist, dass man als Selbstständige allein arbeitet. Lediglich eine Dame meint, sie würde gerne mit einem Team arbeiten, eine andere hat in ihrer kleinen Kanzlei zwei Angestellte, zwei weitere sind zusammen als Team mit ihrer Geschäftsidee dabei. Letzteres wäre von allen am ehesten als Startup zu bezeichnen. Eine Unternehmungsgründung kommt bei den meisten aber eher nicht in Frage.
Frauen sind also unter Existenzgründungen verhältnismäßig gut repräsentiert. Warum sieht das in der Startup-Gründungsszene so anders aus? Was hindert Frauen daran, zu gründen?
In einem Interview mit der Zeit antwortet Gründerin Güncem Campagna auf die Frage, weshalb weniger Frauen Unternehmen gründen: „Wer ein Startup gründet, scheitert in vielen Fällen. Frauen bringen eine höhere Risikoaversion mit.“ Sie beruft sich auf eine Studie von Hewlett-Packard über den sogenannten „Confidence Gap“. Eine interne Befragung fand heraus, dass sich Frauen nur dann auf eine Stelle bewerben, wenn sie der Meinung sind, die Anforderungen zu 100 Prozent zu erfüllen. Männer würden sich schon bei 60 Prozent bewerben.
Frauen seien also weniger risikoaffin. Das erklärt jedoch nicht, warum heute Morgen so viele von uns hier sitzen. Wir sind eine bunt gemischte Gruppe von Frauen in verschiedenen Altersgruppen (von Berufsanfängern, über Berufserfahrene mit Wunsch nach Veränderung, bis hin zur baldigen Rentnerin auf der Suche nach einer Nachfolgerin), Gründungsphasen (von ungefähren Wünschen, über konkrete Pläne auf der Suche nach Starthilfe, bis hin zu schon vollzogenen Gründungen), und Fachgebieten (Marketing, Recht, Film, Projektmanagement, Online-Sprachkurse, u.v.m.).
Was hat sie also zur Selbstständigkeit bewegt? Und nicht zur Unternehmensgründung?
Ein Thema, welches mehrere der Frauen ansprechen, ist die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie. Etwa ein Drittel der Frauen erwähnt beim Vorstellen ihre Kinder und den Wunsch nach mehr Flexibilität. Meine Sitznachbarin empfiehlt es sogar, sich als Mutter beruflich selbstständig zu machen, und erzählt von ihrer eigenen positiven Erfahrung. Das Stichwort lautet Mompreneur, also Mütter, die sich beruflich selbstständig machen. Laut einer Studie von Statista und eBay in 2016 generierten die 461.000 untersuchten selbstständigen Mütter in Deutschland einen Jahresumsatz von 42,4 Milliarden Euro.
Dieser Wunsch nach Flexibilität scheint auch bei den anderen Teilnehmerinnen durch, diesmal mit dem Fokus auf Entscheidungsfreiheit, wie und woran man arbeitet. Sie wollen ihren eigenen Weg gehen, und das in ihrem eigenen Tempo. Solopreneurship nennt man das auch. Ein Solopreneur ist der Eigeninhaber einer unternehmerischen Tätigkeit die, anders als zum Beispiel bei einem Freelancer, nicht vom Projekt abhängig ist, sondern auf einem schlanken Geschäftskonzept beruht (Smart Business Concepts).
Dieses Modell entspricht nicht dem traditionellen Bild eines Unternehmers, also eines starken Mannes, der ein starkes Team führt. Wenn dies als einziges Vorbild diene, so Brigitte und Ehrenfried Conta Gromberg im Interview mit der Gründermetropole, gebe es wenige Gründe für Frauen, dem ernsthaft nachzugehen. Dabei werden die, die es anders machen, einfach übersehen. Dem Unternehmer-Ehepaar zufolge sei dies damit zu begründen, dass in der Wirtschaft viel Wert auf Zahlen gelegt wird. Jedoch: „Wertschöpfung hat viele Dimensionen. Wir brauchen diese neuen Dimensionen, wenn wir unsere Wirtschaft verändern wollen.“
Schon während der Vorstellungsrunde entstehen Verknüpfungen zwischen Teilnehmerinnen durch ihre beruflichen Erfahrungen, Interessen und Kontakte. Nach einer kurzen Zusammenfassung des Gesprächs und der Dienstleistungen der Gründerinnenzentrale bleibt Zeit zu Netzwerken. Plötzlich werden die Stühle und Tische wie am Anfang ständig umgestellt, denn alle versuchen, zu ihren gewünschten Gesprächspartnerinnen durchzudringen, um Kontaktdaten auszutauschen.
Unternehmertum funktioniert also nicht als Alleingang. Der Austausch von Ideen, Erfahrungen und Kontakten ist wichtig. Auch für Selbstständige und für die, die eigene Projekte angehen. Wie eine Teilnehmerin treffend anmerkt: „Männer machen das ständig. Wenn sie was hören, können sie gleich sagen: ‚Ach, ich kenn da jemanden‘ – Frauen machen das nicht so sehr.“
Auch meine Sitznachbarin stimmt dem zu. Am Anfang habe sie ungern Networking-Events besucht aber: „Jede Teilnehmerin ist auch eine potentielle Kundin.“ Teilnehmerin? Genau, sie ist Mitglied mehrerer Netzwerke für Frauen: Mompreneurs, Fempreneur, die Companisto-finanzierte Edition F sind nur ein paar von denen, die sie kennt und bei deren Veranstaltungen sie gerne teilnimmt.
Auf dem Weg ins Büro beginne ich, diese neugewonnenen Eindrücke zu verarbeiten. Ich habe heute Morgen mehrere Frauen kennengelernt, die ihren eigenen Geschäften nachgehen, diese steuern, und erleben, wie sie wachsen. Ich habe miterlebt, wie sie Netzwerke aufbauen, nicht nur um sich durch den Austausch selber weiter entfalten zu können, sondern auch um einander in ihren Unternehmen zu ermutigen und unterstützen. Durch das Integrieren ihrer Bedürfnisse und Interessen verändern sie das traditionelle Bild des Unternehmertums und definieren es für sich neu.
Nach dem Frühstück hat der Tag erst angefangen und jede der Teilnehmerinnen entscheidet gestärkt, wie er für sie weiter geht.
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