Mobilität verändert sich durch digitale Angebote grundlegend. Ridesharing-Angebote in Städten nehmen zu. E-Roller, E-Scooter und Lastfahrräder ergänzen die Möglichkeiten der Kurzstrecken-Mobilität. Autonome Shuttles werden im Testbetrieb erprobt. Zugleich verliert das Auto immer mehr seine Rolle als Statussymbol.
Mit fortschreitender Digitalisierung im Mobilitätsbereich steigt auch das Datenaufkommen. Daraus ergeben sich für Mobilitätsanbieter wie -nutzer neue Herausforderungen und Möglichkeiten. Wie lassen sich die vorhandenen Angebote sinnvoll miteinander vernetzen? Wie lassen sich bisher rein analoge Daten digitalisieren? Und wie können sich auf Basis dieser Daten erfolgreiche Geschäftsmodelle etablieren?
Um sich diesen und ähnlichen Fragen zu widmen, rief das Bundesverkehrsministerium am 17. und 18. Oktober zur mFund-Konferenz auf. Das Motto der Veranstaltung lautete „Daten als Motor für die Mobilität 4.0“. Thematisch drehte sich die Veranstaltung um Fragen der Mobilität 4.0, beispielsweise um Innovationen für intelligentes Infrastrukturmanagement und -unterhaltung, Digitalisierung der Logistik, Umwelt- und Geo-Daten im Verkehr sowie Vernetzung im ÖPNV sowie Verkehrssicherheit.
Verkehrsminister Andreas Scheuer unterstrich in seiner Eröffnungsrede die Notwendigkeit zur Verkehrswende. Daten sind dabei eine wichtige Grundlage für neue und effiziente Mobilitätskonzepte, wie z.B. On-Demand-Shuttles, Verkehrsmanagement und -planung, Logistikkonzepte mit Lastenrädern und vor allem intermodale, leicht zugängliche Angebote, um eine echte Alternative zum Auto zu bieten.
Steffen Bilger, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, stellte in seiner Rede die wachsende Bedeutung von Startups für ein Gelingen der Verkehrswende in den Fokus. „Es sind nicht mehr allein die großen Konzerne, die Innovationen vorantreiben, sondern immer mehr auch Pioniere, Startups, Hochschulen und andere Organisationen.“
Diskutiert wurden aber auch Probleme, z.B. dass viele Daten nicht bzw. unzureichend digitalisiert sind, eine Vielzahl von Datenformate eine Integration deutlich behindern und Lösungen zur Vernetzung noch ausgebaut werden müssen. Das Münchner Mobility-Data-Startup Rydies hat im Forum „Digitalisierte Fahrraddaten“ seine Leistungen vorgestellt und im Panel diskutiert.
Rydies hat es sich zum Ziel gesetzt, alle Fahrrad-Mobilitätsangebote zu digitalisieren und mit anderen Verkehrsmitteln zu vernetzen. Das Münchner Startup fungiert als Schnittstelle zwischen Kurzstrecken-Mobilitätsanbieter und Mobilitätsportalen. „Wir wollen die Anschluss- und Alltagsmobilität mit dem Fahrrad und neuen Fahrzeugkonzepten für die Nutzer leicht zugänglich machen – und das ohne eine weitere App! Information, Buchung und Nutzung für alle diese Angebote integrieren wir in die bekannten Websites und Apps von Drittanbietern, die die Nutzer gewohnt sind“, erläutert Rydies-Gründer und CEO Andreas Nelskamp.
Unter Mikro-Mobilität versteht man alle Kurzstreckenmobilitätsangebote, die besonders auf der „Letzten Meile“ zum Einsatz kommen. Da sich die notwendige Verkehrswende auf elektrisch -betriebene Fahrzeuge beschränkt, lassen wir hier Roller und Mopeds mit Verbrennungsmotor außen vor. Übrig bleiben also Fahrräder (konventionelle Fahrräder, Elektro-Fahrräder, Lasten- und Schwerlasten-Fahrräder), E-Roller, E-Scooter sowie andere elektrische Kleinstfahrzeuge.
Das Angebot in diesem Segment wächst beständig, angefangen bei elektrisch betriebenen Zweirädern. So wurden etwa in China schon 2011 mehr als 22 Millionen Elektro-Fahrräder verkauft, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet. Das veranlasst auch die Hersteller dazu, auf den steigenden Absatz mit neuen Modellen zu reagieren. BMW nahm mit dem X2City einen Scooter ins Programm auf, der über den Fahrradhandel verkauft wird. Der US Autokonzern General Motors blickt über den automobilen Tellerrand und startet mit zwei integrierten und vernetzten E-Bikes.
Neben dem weltweiten Angebot an Elektro-Fahrrädern befindet sich auch das Bike-Sharing im Aufwind. Laut Statista waren im Jahr 2005 weltweit nur 17 Bike-Sharing-Anbieter aktiv. 2017 waren es schon 1.400 und im laufenden Jahr wird diese Zahl voraussichtlich auf über 1.600 anwachsen. Das spiegelt sich auch in den weltweit öffentlich zugänglichen Fahrrädern wieder, die über Bike-Sharing-Programme in den Städten verteilt werden. Waren es 2014 noch rund 950.000, vervielfachte sich das Angebot bis 2018 auf mehr als 18 Millionen Fahrräder.
Auch in Deutschland floriert das Geschäft mit Fahrrädern und E-Bikes, wie der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) meldet. Der Absatz von Fahrrädern und E-Bikes ist um 6 Prozent auf 2,8 Millionen Fahrzeuge gestiegen, die alleine zwischen Januar und Juni verkauft wurden. Mit 18% wächst der Markt für hochwertige E-Bikes noch stärker auf erwartete 850.000 Stück in 2018.
Das Fahrzeug-Angebot im Bereich Mikro-Mobilität wird rasant anwachsen, schätzen Experten. Das Beratungsunternehmen Frost & Sullivan prognostiziert, dass bis 2020 bereits 100 Modelle für die Mikro-Mobilität verfügbar sein werden. Der Großteil davon dürfte von den 16 größten Automobil-Herstellern produziert werden, bereits heute ist die Hälfte davon serienreif. Die Ausdehnung ihres Sortiments haben die Hersteller mit einer Investition von rund 300 Millionen Dollar angeschoben, was zeige, dass sie das Potenzial des Segmentes erkannt haben.
„Lösungen für die Mikro-Mobilität werden sich langfristig durchsetzen“, schlussfolgern die Frost & Sullivan-Analysten Vishwas Shankar und Sarwant Singh. Auch Phil Gott vom Beratungsunternehmen IHS Automotive ist überzeugt, dass Mikro-Mobilität für die Autobauer durchaus ein lukratives Geschäft werden kann. „Der Markterfolg dieser Fahrzeuge hängt weniger von der Technologie ab, sondern eher vom Sinneswandel der Verbraucher. Für die Hersteller ist die Rentabilitätsgrenze für Fahrzeuge im Bereich der Mikro-Mobilität wahrscheinlich schon weit unterhalb von 100.000 produzierten Einheiten erreicht. Das heißt, sie können dann bereits Gewinn machen“, so der IHS-Experte.
In Deutschland bewegt sich etwas auf der gesetzlichen Ebene. Die Bundesregierung will ab Anfang 2019 elektrische Kleinstfahrzeuge als eigene Fahrzeugklasse zuzulassen, wie das Branchenportal Electrive berichtet. Darunter würden etwa elektrisch betriebene Tretroller (auch E-Scooter genannt) fallen. In vielen Ländern wie USA, Frankreich, Schweiz, Österreich, etc. gehört diese neue Form der Kurzstrecken-Mobilität bereits zum Alltag.
Davon werden auch Startups profitieren, die Sharingsysteme mit elektrischen Tretrollern anbieten, wie etwa die US-Startup Bird und Lime, die beide bereits mit mehr als einer Milliarde Dollar bewertet werden. Auch in Berlin bereiten sich prominente Gründer darauf vor, die neue Marktnische in Angriff zu nehmen. Mit Go Flash des Dotcom-Pioniers Lukasz Gadowski und Tier Mobility des Rebuy-Gründers Lawrence Leuschner stehen gleich zwei Berliner Startups bereit, um mit Vermietsystemen den elektrischen Micro-Scootern in Deutschland zum Durchbruch zu verhelfen. Die beiden konnten auch bereits Venture-Capital-Geber überzeugen, ihnen Wagniskapital in Millionenhöhe zur Verfügung zu stellen. Laut Süddeutscher Zeitung startet auch Daimler demnächst mit dem Verleih von E-Scootern. Das Manager Magazin berichtet, dass Ford das E-Scooter Startup Spin für 100 Millionen Dollar gekauft hat, und gemäß der Süddeutschen Zeitung startet auch Daimler demnächst mit dem Verleih von E-Scootern.
Die „Letzte Meile“ ist besonders im Logistik-Bereich eine beständige Herausforderung. Verstopfte Straßen in den Städten bei gleichzeitig steigenden Zahlen an Paketbestellungen fordern neue Lösungsansätze. Einer der vielversprechendsten Ansätze stellt das Lastenfahrrad dar. So gibt es etwa bei DB Schenker, dem Logistik-Unternehmen der Deutschen Bahn, bereits konkrete Überlegungen, Lastenfahrräder in den Betrieb zu integrieren.
„In absehbarer Zeit könnten wir mit zehn bis zwanzig solcher Räder unterwegs sein“, erklärt Andreas Herrmann. „Wenn die Lastenräder ganze Paletten aufnehmen können, dann können wir sie viel stärker in unser Netz einbinden – und dann rollen wir das richtig aus.“ Hermann ist stellvertretender Leiter Production der Geschäftsstelle in Berlin und setzt sich seit Jahren mit neuen Formen der Mobilität auseinander.
Lastenfahrräder sind ein Wachstumstreiber im Bereich Mikro-Mobilität. Die Bundesregierung unterstützt diese Entwicklung durch Zuschüsse und Steuererleichterungen. So fördert der Staat seit Frühjahr 2018 die Anschaffung von Schwerlasträdern (sogenannten Cargo-Bikes), wie Spiegel Online berichtet. Demnach schießt der Staat seit März beim Neukauf eines Schwerlastrades 30 Prozent der Anschaffungskosten zu (maximal jedoch 2500 Euro pro Fahrrad). Gefördert würden Schwerlasträder mit E-Antrieb, einer Zuladungskapazität von 150 Kilogramm und einem Kubikmeter Ladevolumen. Auch elektrifizierte Lastenanhänger oder Fahrradgespanne fielen unter die Förderkriterien.
Zudem haben sich die Regierungsfraktionen von Union und SPD laut Informationen der Rheinischen Post auf eine großzügige steuerliche Förderung von E-Bikes und Fahrrädern als Dienstfahrzeuge geeinigt. Demnach sollen Arbeitnehmer den geldwerten Vorteil aus der privaten Nutzung der vom Arbeitgeber als Dienstfahrzeuge überlassenen Zweiräder künftig nicht mehr versteuern müssen. Damit würden E-Bikes und Fahrräder noch stärker gefördert als Dienstwagen mit Elektro- und Plug-in-Hybridantrieb, bei denen der Steuersatz für den geldwerten Vorteil bei Privatnutzung wie berichtet zum 1. Januar 2019 von einem auf dann 0,5 Prozent sinken soll.
Laut den Marktanalysten von CB Insights machen Fahrräder und Scooter den Löwenanteil der Mikro-Mobilität in den USA aus. Die Analysten schätzen in ihren Bericht „Disrupting the Car“, dass 60 Prozent aller Kurzstrecken-Transporte in den USA mit diesen Verkehrsmitteln stattfinden. Die Anzahl der Bike-Sharing Angebote steigt in den USA genauso wie die Anzahl der verkauften Modelle.
Startups, die im Bereich Mikro-Mobilität operieren, profitieren vom Aufschwung. Sie konnten 2017 mehr als 3,2 Milliarden Dollar an Investitionen anziehen. Das entspricht einem Anstieg im Vergleich zum Vorjahr von mehr als 860 Prozent. Die CB-Insights-Analysten erwarten, dass sich dieser Trend auch im laufenden Jahr fortsetzt und die Investitionen die Schwelle von 3,5 Milliarden Dollar deutlich überschreiten.
Mit der steigenden Zahl an E-Bikes und Bike-Sharing-Angeboten steigt auch die Menge an Mobilitätsdaten. Auch hier entwickeln sich neue Geschäftsmodelle. In den USA startet das Google/Alphabet-Spinoff Coord mit einem ähnlichen „Digitalisisierungs- und Datenhändler-Modell“ wie das Münchner Startup Rydies, wie Techcrunch berichtet. Coord gewährt den Softwareentwicklern dieser Unternehmen Zugang zu standardisierten Daten wie Maut-Stationen, Parkregelungen, Car- und Bikesharing. Diesen Zugang lässt sich das Google-Spinoff finanziell entlohnen.
Das Geschäftsmodell basiert also in erster Linie auf dem Handel mit Mobilitätsdaten, genau wie bei Rydies. Eine weitere Gemeinsamkeit: Coord betreibt keine eigene Plattform, sondern sieht sich eher als verbindendes Element. „Wir betreiben selbst keinen Mobilitätsservice“, sagt Stephen Smyth, der neue CEO von Coord, gegenüber Wired. „Wir konzentrieren uns zu 100 Prozent darauf, das Bindeglied zu sein.“ Entscheidend sei, dass Informationen zwischen Städten und Anbietern ausgetauscht werden können, anstatt in den Verwaltungen gelagert zu werden. Die Koordination aller Angebote ist das erklärte Ziel. „Wir sehen uns mit dem Eintritt von Coord/Google in unserer eigenen strategischen und technologischen Ausrichtung bestätigt und fühlen uns zu weiterem schnellen Wachstum angespornt“, bemerkt Andreas Nelskamp, CEO von Rydies.
Ist Mikro-Mobilität für Sie ein spannender Wachstumsmarkt? Schreiben Sie uns einen Kommentar!
Das Kommentieren ist nur für registrierte Companisten möglich. Bitte melden Sie sich an, um kommentieren zu können.
Du möchtest auch in innovative Unternehmen investieren?