Vor etwas über einem Monat entschieden die Briten, die EU zu verlassen. Die Mehrheit der britischen Startup-Szene stimmte laut Umfragen für einen Verbleib. Mitten in der Aufregung kursierten bereits die ersten Folgen für britische Startups. Was ist bisher tatsächlich spürbar?
Vor allem zwei für uns interessante Thesen gilt es zu überprüfen: Zum einen schwächt der Brexit die britische Wirtschaft und besonders junge Unternehmen werden sich anderen europäischen Ländern zuwenden, zum anderen haben die Briten einen Fehler gemacht und sich selbst geschadet. Haben sich die Theorien tatsächlich bewahrheitet?
Bloomberg berichtete im Juni von sieben FinTech-Startups, darunter Revolut und TransferWise, die ernsthaft überlegen, London den Rücken zu kehren. Heute berichtet Cornelia Yzer, Berlins Senatorin für Wirtschaft und Technologie, dass über hundert Startups aus London ihr Büro bereits wegen eines Umzugs in die deutsche Hauptstadt kontaktiert hätten.
Auf der London Fintech Woche 2016 sagte sie den Londoner Startups: "Die Berliner Regierung wird euch nicht nur durch Funding unterstützen sondern auch dafür sorgen, dass ihr in Berlin eine sanfte Landung habt. Es gibt eine durchgängig verfügbare Agentur in meinem Senat, die sich um alle administrativen Prozesse kümmert und alle interessierten Unternehmen navigiert."
Glaubt man demnach den Worten der Berliner Senatorin, sind die britischen Startups bereits dabei, sich von London abzuwenden. Dabei muss allerdings auch bemerkt werden, dass sie direkt nach London reiste und den Startups die Möglichkeit darlegte. Für ein Startups sind 2 Jahre Unsicherheit ein halbes Leben lang Unsicherheit. Daher erwägen tatsächlich einige FinTechs einen Umzug.
Der neue stellvertretende Wirtschaftssenator Rajesh Agrawal aus London bestätigte die Vermutung, die die Medien schon kurz nach dem Brexit äußerten: "Es waren schlechte Nachrichten für London, aber jetzt sind wir nun mal hier. London überlebte das Große Feuer, die Plage, den Blitz, die Lehman Brüder und wir überleben auch den Brexit."
Dass sowohl Boris Johnson, Bürgermeister von London, als auch Nigel Farage, Chef der Partei UKIP, ihre Posten niedergelegt haben, zeigt, dass selbst die führenden Köpfe der Leave-Bewegung den Rücken gekehrt haben. Als eine der ersten Folgen entließ die britisch Bank Lloyds 3000 Mitarbeiter, bis 2017 sollen weitere 3000 dazu kommen. Die Bank rechnet mit einem deutlich schwächeren Wirtschaftswachstum und kündigte an, den Sparkurs zu verschärfen.
Dass der Abzug der Startups und damit von hochqualifizierten, jungen Menschen negative Auswirkungen auf die britische Wirtschaft hat, bestätigt die dort ansässige Szene. Ob der Brexit einer Fehler für die Briten war, bleibt dennoch abzuwarten.
Unbestreitbare Folge des Brexits ist die zunehmende Konkurrenz zwischen London und Berlin. Die beiden Städte kämpfen sowieso bereits um die Position als attraktivster Startplatz für junge Unternehmen in Europa. Jetzt, da London nicht mehr zur EU gehören wird, sieht man für Berlin große Potenziale. 53% der Mitarbeiter in Londons Startups kommen aus dem Ausland, fällt jetzt die EU-weite Reise- und Arbeitsfreiheit weg, könnten all diese Talente nach Deutschland kommen.
Der Standortvergleich auf einen Blick macht diese Grafik möglich:
Noch liegt London in Punkto Finanzierung (Series A) und Anzahl der Startups vorne. Was jedoch besonders in Zukunft spannend wird ist der Zugang zu globalen Märkten, regulatorische Strukturen, Lebensbedingungen und Zugang zu internationalen Investoren.
Wer dann das Startup City Battle wohl in zwei Jahren gewinnt?
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