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von André Jasch

Urban Farming - Lebensmittel aus der Stadt für die Stadt

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Urban Farming - Lebensmittel aus der Stadt für die Stadt

Wenn Anne-Kathrin Kuhlemann und Markus Haastert ihre Gäste durch ihr Gewächshaus führen, deutet zunächst nichts daraufhin, dass dies ein außergewöhnlicher Ort ist. Die Sonne fällt durch die verglasten Außenwände, es herrschen knapp dreißig Grad und die Luft ist schwül. Das Gewächshaus randvoll mit Gurken-, Paprika- und Tomaten-Sträuchern. Markus pflückt eine Tomate direkt vom Strauch und beißt genüsslich hinein.

Doch dass die Pflanzen ohne den Einsatz von Pestiziden hergestellt werden, ist noch nicht das Besondere an diesem Ort. Das Besondere kann der Besucher erahnen, wenn er sich den riesigen blauen Wasserbehältern nähert, die im hinteren Teil des Gewächshauses stehen. Dort werden Fische in großer Zahl gezüchtet und sie spielen für das Pflanzenwachstum eine Schlüsselrolle.

Anne-Kathrin Kuhlemann und Markus Haastert haben die Technologie eigenständig entwickelt und über Jahre erprobt. Kuhlemann fing 2011 an auf der Dachterrasse ihres Büros, eine Kreislaufanlage mit Fisch und Gemüse aufzubauen. Haastert ist der Kopf hinter der Technologie. Gemeinsam haben sie 2011 begonnen dieses System zu entwickeln. Fünf Jahre später gründeten sie dann die BE Food AG, unter deren Dach die erste kommerzielle „StadtFarm“ läuft. Unter dem Motto „Smart Urban Farming direkt im Herzen Berlins“ wird die StadtFarm im Berliner Stadtteil Lichtenberg betrieben.

Das smarte Gewächshaus produziert seit 2017 etwa 50 Tonnen Fisch und 30 Tonnen Gemüse auf 2.500 Quadratmetern. Das reicht aus, um 180 Menschen mit Gemüse und 3.400 Menschen mit Fisch zu versorgen. Die Lebensmittel werden vor Ort an die Kunden verkauft oder ausgeliefert. Im Sinne der ökologischen Nachhaltigkeit liefert die Stadtfarm ihre Produkte nur mit dem Fahrrad aus. Die Kunden, darunter neben Privatpersonen auch Gastronomen, schätzen besonders die Frische und Regionalität der Produkte.

Stadtfarm – Urban Farming im Herzen Berlins

Das Geheimnis des Erfolgs der StadtFarm liegt in der Technologie, die über fünf Jahre entwickelt wurde. Die AquaTerraPonik® ist eine einzigartige Kombination der Fisch- und Pflanzenzucht. Während im Gewächshaus Gemüse gezüchtet wird, wachsen in großen Wassertanks Fische heran. Das Wasser, in dem die Fische wachsen, dient den Pflanzen als Dünger. Der Clou an der Stadtfarm ist ihr geschlossener Wasserkreislauf. Der Schlüssel des Ganzen ist der Afrikanische Raubwels.

Dieser Fisch geht ein symbiotisches Verhältnis mit den Pflanzen ein. Die Ausscheidungen der Fische werden durch Bakterien in Dünger umgewandelt, der für die Pflanzenzucht genutzt wird. Die Pflanzen wiederum setzen die Stoffe in Biomasse um und reinigen somit das Wasser, welches anschließend wieder in die Aquakultur gelangt. Kurz: Die Fische produzieren Dünger für die Pflanzen und die Pflanzen reinigen das Wasser wieder für die Fische.

Die StadtFarm imitiert in gewisser Hinsicht ein ganzes Ökosystem und kombiniert dieses mit moderner Technik. Mit Kameras ausgestattete Roboter sollen bei der Arbeit unterstützen und unter anderem Schädlingsbefall auf den Pflanzen erkennen. Auf künstliche Dünger, Pestizide und Antibiotika wird komplett verzichtet. Stattdessen sorgen Marienkäfer und Florfliegen für die Schädlingsbekämpfung.

Dadurch wird auf engstem Raum eine sehr hohe Effizienz erreicht. Neben den Tonnen an Gemüse und Fisch, die die Stadtfarm jedes Jahr produziert, werden auf diesem Weg große Mengen Strom und Wasser eingespart. Außerdem ist die Stadtfarm unabhängig von den Jahreszeiten, sodass ganzjährig produziert werden kann. Diese Technologie kann auf kleinem Raum viele Menschen gesund, klimaverträglich und ressourcenschonend ernähren.

Vom Urban Gardening zum Urban Farming

Die StadtFarm ist Symbol eines größeren Trends: Urban Farming. Mit Urban Gardening fing alles an. Selbstversorger und Land-Enthusiasten begannen damit, in der Stadt ungenutzte Freiflächen oder Dächer mit Obst und Gemüse zu bepflanzen. Später wurden, angepasst an die dichtbebaute Umgebung der Stadt, auch Gebäude vertikal bepflanzt. Nutzfläche ist in der Stadt stark begrenzt, deshalb muss jeder Zentimeter voll ausgenutzt werden.

Der Trend dehnte sich aus und erfasste das gesamte städtische Leben. Gemeinschafts- und Nachbarschaftsgärten in der Stadt boomen. Verstärkt wird dieser Trend durch zwei gesellschaftliche Entwicklungen. Zum einen steigt die Nachfrage nach qualitativ hochwertigen, regional erzeugten Lebensmitteln. Allein 2017 lag der Umsatz von Bio-Lebensmitteln in Deutschland bei 10,04 Milliarden Euro. Das entspricht einem Anstieg um knapp sechs Prozent gegenüber dem Vorjahr – Tendenz weiter steigend. Zugleich kommen deutsche Bio-Bauern mit der Produktion nicht hinterher.

Dazu kommt, dass immer mehr Menschen in die Städte ziehen, was selbst unsere auf Effizienz getrimmte, industrielle Landwirtschaft an die Grenzen der Versorgungsmöglichkeiten bringt. Zumindest dann, wenn wir die Bereiche der Lebensmittelerzeugung und des -verbrauchs weiter so stark trennen: Lebensmittel werden auf dem Land produziert und in der Stadt verbraucht. Das beinhaltet lange Lieferwege, große Anbauflächen und Ressourcenverschwendung.

Eine Lösung bietet das Konzept der urbanen Landwirtschaft, die aus dem Urban-Gardening-Trend hervorgegangen ist. Eine aktuelle Fraunhofer IAO-Studie über Urban Farming hält die nachhaltige Sicherung der städtischen Nahrungsmittel- und Ressourcenversorgung für eine der größten Herausforderungen moderner Städte. Ohne weitere Produktivitätssprünge in der konventionellen Landwirtschaft ist eine Versorgung der wachsenden Städte mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln nicht realisierbar. Verschiedene Akteure suchen nach innovativen Agrarsystemen.

Infarm – Natur trifft auch moderne Technik

In Berlin Kreuzberg sitzt ein weiterer Akteur, der nach Lösungen für die Landwirtschaft der Zukunft sucht. Wer den Arbeitsplatz von Guy Galonska betritt, der bekommt den Eindruck, im Tropenhaus eines botanischen Gartens zu stehen. Die Wände sind übersät mit Glaskästen, in denen Pflanzen aller Art wachsen: Basilikum, Spinat, Kopfsalat. Das satte Grün der Pflanzen vermischt sich mit einem violetten Schimmern, das von den LED-Lampen in den kleinen Gewächshäusern stammt.

Doch Guy Galonska ist kein Gärtner oder Biologe, sondern der Gründer des Urban-Farming-Startups Infarm. „Vor zweieinhalb Jahren hat alles in Israel angefangen. […] Unser Traum war es, Essen in der Stadt zu züchten, eine Verbindung vom Land- mit dem Stadtleben“, erklärte der Infarm-Gründer Ende 2014 gegenüber dem Tech-Magazin Wired. Das Startup begann im Jahr 2013 mit einem kleinen Rohrgarten in Galonskas Wohnzimmer. Die nötigen Materialien besorgten sich die Gründer – neben Guy Galonska sind da noch sein Bruder Erez und dessen Partnerin Osnat Michaeli – aus dem Baumarkt und fertigten damit ihre erste Hydrokultur.

Langsam, aber beständig, wuchs das Startup in den folgenden Jahren zu seiner heutigen Größe heran: 50 ausgewachsene Indoor-Farmen in ganz Berlin, über 200 Mitarbeiter, die genau wie die Pflanzen selbst aus allen Teilen der Welt stammen. Gemeinsam tüfteln sie in Berlin Kreuzberg an der Vertical-Farming-Technologie, die es in Zukunft ermöglichen soll, neben Kräutern auch Gemüse und Salat in der Stadt zu produzieren.

Regionale Lebensmittel zu wettbewerbsfähigen Preisen

Die „smarten Kräutergärten“ des Berliner Startups sind stark von der Natur inspiriert. „Biomimikry“ lautet das Stichwort. Gemeint ist damit eine Nachahmung von Strukturen, die in der Natur bereits erfolgreich sind und sich daher auch auf industrielle Produkte übertragen lassen. So folgt das Design der Anbauschale dem Saatmuster der Sonnenblume.

Die einzelnen Einheiten werden in riesigen Glasschränken zu Indoor-Farmen zusammengeschlossen. Dort werden kontinuierlich alle wichtigen Daten der Pflanzenwelt gemessen: ph-Wert, Temperatur, Wasser, Licht und Nährstoffe. Auf den Lebenszyklus einer Pflanze betrachtet, kommen auf diesem Weg etwa 50.000 Datenpunkte zusammen. Ein Großteil der Pflanzenzucht läuft schon jetzt automatisiert ab. Die einzelnen Farmen sind außerdem über eine Cloud mit der zentralen Plattform von Infarm verbunden, sodass das Startup die Einheiten aus der Ferne kontrollieren kann.

„Sensible Prozesse wie das Bewässern oder die Anpassung der Temperatur laufen automatisch. Die sogenannten Infarmer müssen lediglich die Pflanzen säen und später ernten. Und das Design des Systems erlaubt eine tägliche Ernte“, erklärt Gründerin Osnat Michaeli gegenüber NGIN-Food.

Besonders interessant sind die Indoor-Farmen für Betriebe, die ständig auf frische Produkte angewiesen sind und diese zu wettbewerbsfähigen Preisen anbieten möchten. Zu den Kunden von Infarm gehören neben zahlreichen Restaurants und Lagerhäusern mittlerweile auch Größen der Lebensmittel-Branche.

Seit einigen Monaten befinden sich in immer mehr Edeka-Filialen Indoor-Farmen mit frischen Kräutern, wie die Berliner Zeitung berichtet. Der Lebensmittelhändler erhofft sich dadurch, die Lieferwege zu reduzieren und gleichzeitig die Qualität der Produkte für seine Kunden zu erhöhen. Neben Edeka zählt auch der Großkunden-Händler Metro zu den Kunden des Berliner Startups.

Startups gestalten städtische Lebensmittelversorgung

Startups wie Infarm oder die BE Food AG haben das Thema Urban Farming längst für sich entdeckt. Sie wollen den Wandel zur modernen Stadt mit eigener Lebensmittelproduktion mitgestalten. Sie setzen auf Regionalität und Dezentralisierung. Doch um ihren Ideen zum Durchbruch zu verhelfen, brauchen sie Menschen, die an ihre Vision glauben. Und ihre Vision ist nichts geringeres als eine Revolution der modernen Landwirtschaft.

Kürzlich gab Infarm eine zweite Finanzierungsrunde in Höhe von 20 Millionen Euro bekannt. Angeführt wurde die Series-A-Runde vom Londoner VC Balderton Capital. Mit dem frischen Kapital will das Vertical-Farming-Startup in weiteren deutschen Städten starten sowie ins europäische Ausland expandieren. Für Urban-Farming-Startups ist das eine gute Nachricht.

„Man kann es vielleicht mit den frühen Computern vergleichen. Als sie damit anfingen, sah niemand wirklich eine Zukunft dafür oder verstand ihr Potenzial, unser aller Leben zu verändern“, so Guy Galonska. „Damals sagten die Leute: niemand braucht einen Computer. Mit Urban Farming ist es heute ganz ähnlich. Niemand glaubt, dass es Sinn macht, sein eigenes Essen zu züchten. Wir denken aber, dass es ganz sicher so kommen wird.“ Er ist überzeugt davon, dass die 2020er Jahre eine Epoche der landwirtschaftlichen Revolution sein werden – die Dekade des Urban Farming.

Das Potenzial von Technologien wie Vertical Farming oder AquaTerraPonik® ist groß, da sind sich Gründer und Investoren einig. Auch Anne-Kathrin Kuhlemann und Markus Haastert haben Großes vor. „Wir wollen, dass in wenigen Jahren StadtFarmen in jedem größeren Ort in Deutschland Kunden mit frischen, nachhaltigen Lebensmitteln versorgen“.

Diese Art der Landwirtschaft und ihre Effizienz sind abhängig vom Wachstum. Es sind mehr Standorte notwendig, um eine flächendeckende Versorgung von mehr Menschen zu garantieren. Die BE Food AG will die Idee bundesweit etablieren und sucht dafür das notwendige Kapital. Das Ziel des Unternehmens ist es, viele StadtFarmen in Deutschland aufzubauen.

Eine Expansion wird nur mit ausgewählten Standorten und Partnern vorangetrieben, die Technologie als Basis ihres Geschäftsmodells soll dagegen nicht verkauft werden. Um ihr Konzept zu skalieren, streben sie ein Joint-Venture-System an, eine Kooperationsform mit professionellen Partnern. So kann eine starke Marke im Sinne des Smart-Urban-Farming entstehen. 


Lesen Sie diesen und andere spannende Beiträge in der neuen Ausgabe der Deal-Lights Q4/18


 

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