Schon einmal etwas vom “Uber für Traktoren” gehört? Nein? Dabei boomen viele Startup Ökosysteme südlich der Sahara, wie man anhand des Startup Friendliness Indexes „Startup Meter“ sehen kann. Es misst, wie startupfreundlich einzelne Städte in Wachstums- und Schwellenländern gegenüber Startups sind. Diese werden dabei hinsichtlich ihres Humankapitals, Finanzierungsmöglichkeiten, der Startup Szene, Infrastruktur, dem makroökonomischen Kontext und dem lokalen Markt von Startupakteuren vor Ort evaluiert.
Laut dem Startup Meter gibt es in Accra, Ghana, schon ein Drittel der Anzahl der Inkubatoren Berlins. Und in Nairobi, Kenya, wurden fast 500 Startups gegründet. Zudem beherbergt die Stadt das größte Co-Workingspace Afrikas – die Nairobi Garage - mit mehreren hundert Arbeitsplätzen an einem Ort.
An was arbeiten die Startups? Während einer Busfahrt auf den staubigen, holprigen Straßen Ghanas erzählt mir Kamal Yakub von seinem Startup „TroTroTraktor“. Es vermietet landwirtschaftliche Maschinen stundenweise, wodurch sich mehrere Landwirte Gerätschaften teilen können – diese sind ganz einfach durch ein Mobiltelefon zu bestellen. Damit macht das Startup maschinelle Ernte bezahlbar und entlastet die Menschen von der körperlichen Arbeit. Darüber hinaus hat Kamal auch zwei soziale Projekte ins Leben gerufen. Er gründete eine Organisation, die Parlamentsbeschlüsse der Regierung digitalisiert und veröffentlicht - ein Beitrag zum demokratischen Prozess seines Landes. Kamals neuestes Startup-Projekt ist ein offener Stall mit Biomasseverwertung und zentralem Fleischverkauf, der gleichzeitig zu einer Abmilderung von Landnutzungskonflikten führen soll.
Es zeigt sich, dass besonders viele Digitalinnovationen des Kontinents auf das Mobiltelefon ausgerichtet sind. 2021 werden 700 Millionen Smartphones auf dem Kontinent online sein - so eine Schätzung. Damit lassen sich lange existierende Problematiken mit ganz neuen Lösungen angehen - zum Beispiel beim Thema Finanzen. Oft werden dabei Entwicklungsschritte übersprungen: in einigen Bereichen wie dem Mobile Banking und Mobile Payment ist man Deutschland einige Schritte voraus. Mit dem 27-jährigen Paul Damalie aus Ghana bin ich eigentlich über deutsche Wissenschaftsserien aus den Achtzigerjahren ins Gespräch gekommen. Seine Liebe zu Naturwissenschaften und Zahlen hat er dann auch zum Beruf gemacht. Als Software-Entwickler gründete er sein eigenes Startup „Inclusive“. Wie der Name schon sagt, möchte er damit finanzielle Inklusion vorantreiben. Er ermöglicht es Kunden in ländlichen Gebieten, einen sicheren und digitalen Zugang zu einem Bankkonto zu erhalten.
Die Kenianerin Mary Mwangi mit ihrem jugendlichen Auftreten traf ich in Deutschland, später in Kenia und virtuell bei Vorträgen. Ein ghanaischer Investor lobte sie in meinem Beisein über alle Stränge: “Mary you are so good in what you are doing.” Sie lächelt: “Sure, I know.” In Kenia ist M-Pesa, die Bezahlung durch das Mobiltelefon landesweit verbreitet. Mit ihrem großem Selbstbewusstsein hat Mary das Startup „MobiTill“ gegründet - das Bezahlungen sowohl auf die “neue” (durch Mobiltelefone und Kreditkarten) als auch die “alte” Weise (mit Bargeld) mittels eines Geräts möglich macht. Wie überall auf der Welt ist das Gründen eines Startups jedoch nicht easy - schon gar nicht vor dem Hintergrund erschwerter Rahmenbedingungen. Korruption und Gewalt sind besonders in Kenia ein Problem. Ghana leidet unter einer sinkenden Energieproduktion seiner Wasserkraftwerke bei wachsendem Verbrauch - vermehrte Stromausfälle sind die Folge.
Kamal, Paul, Mary sowie die Startupökosysteme in Westafrika und Ostafrika habe ich während des Startup Mentoring Programms von enpact kennenlernen dürfen. Bei diesem circa 9-monatigen Programm bringen wir mit enpact internationale Mentoren und 50 Startups aus Europa, West Afrika und Ostafrika zusammen, die sich mehrmals in den unterschiedlichen Projektländern treffen. Bei einwöchigen Startupcamps und den individuellen Mentorenbesuchen geht es insbesondere darum sich gegenseitig zu inspirieren, unkonventionelle Ideen und Gedanken zu teilen, sich gegenseitig zu unterstützen und so gemeinsam das nächste Level zu erreichen.
Neben dem Mehrwert der dieser unkonventionelle Ansatz für entwicklungspolitische Ziele schafft, ist das Programm aber auch für die teilnehmenden europäischen Startups eine große Chance. Diese internationale Mentoringerfahrung bietet die Möglichkeit out-of-the-box zu denken, neue Geschäftsideen kennenzulernen, eine langfristige Mentorenbeziehung aufzubauen sowie Teil einer wachsenden internationalen Startupcommunity zu werden.
In den letzten eineinhalb Jahren stiegen kontinuierlich die Investments in Startups auf dem afrikanischen Kontinent, die über 1 Million US-Dollar lagen. Wir sind sehr gespannt, wie es weitergeht. Du auch?
Zur Person:
Anika Wiest hat Internationale Politik in Heidelberg, Paris und Dresden studiert. Währenddessen arbeitete sie u.a. für das Goethe-Institut, die Heinrich Böll Stiftung und die Ständige Vertretung Deutschlands bei den Vereinten Nationen in New York. Bei enpact organisiert sie im Rahmen ihrer Tätigkeit als Eventmanagerin jeden Sommer Startup Mentoring Camps auf einer mittelalterlichen Burg. Die Teilnehmer sind Startups der Neuzeit aus der MENA Region, Ostafrika, Westafrika und Europa, die während einer ganzen Woche intensiv durch Mentoren beraten werden, Workshops besuchen und das Startupökosystems Berlins und des Umlands kennenlernen.
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