Heute geht es wieder einmal über den Tellerrand hinaus. Der Aufstieg der Startups verändert ganze Städte. Aber welche Gegenden sind drauf und dran, dem Silicon Valley Konkurrenz zu machen?
The Global Startup Ecosystem Report von Compass, Microsoft Ventures und Crunchbase listet die 20 dynamischsten und boomendsten Ökosysteme der Welt auf (China, Südkorea und Japan wurden hierbei allerdings nicht beachtet):
Sofort fällt eines ins Auge - Berlin hat mit einem Wachstumsindex von 10 den höchsten Wert aller Top-20-Ökosysteme erreichen können. Es ist ja bekannt, das der Standort weiter wächst und an Bedeutung gewinnt, dass der größte Wachstumsfaktor allerdings in Deutschland zu finden ist, ist ziemlich bemerkenswert!
Da wir Berlin als unseren Heimatstandort aber oft genug beschreiben und beobachten, schauen wir uns einmal die anderen beiden an.
Der Standort mit dem zweitgrößten Wachstumsfaktor (4,9) ist Bangalore, Indien.
Mit knapp 8,5 Millionen Einwohnern ist Bangalore die drittgrößte Stadt Indiens nach Mumbai und Delhi. Innerhalb Indiens ist die Stadt ein Zentrum für Luft- und Raumfahrttechnik, viele Bewohner der Stadt sind Zuwanderer aus anderen Teilen Indiens. Seit ein paar Jahren wird Bangalore ein immer wichtigerer und erfolgreicherer IT-Standort und Anlaufpunkt für Startups. Nach Angaben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung ist es der wichtigste Hochtechnologiestandort Indiens.
Im Bereich der Biotechnologien weist Bangalore viel Potenzial und starkes Wachstum auf: Fast die Hälfte der Biotech-Unternehmen Indiens und wichtige Forschungszentren sind in der Stadt ansässig. Aufgrund der dichten Ansammlung von in- und ausländischen Computer- und Hightech-Firmen ist die Stadt auch als „Silicon Valley Indiens“ bekannt.
Bosch, Siemens, Intel, IBM, Microsoft, HP, Huawei - alle sitzen sie in Bangalore, Pricewaterhouse Coopers attestiert dem Cluster ein jährliches BIP-Wachstum von 6,5 Prozent bis 2025. Damit ist Bangalore eines der 20 weltweit am schnellsten wachsenden Wirtschaftssysteme. Die Standortfaktoren in Bangalore sind ziemlich attraktiv: Produkte, Dienstleistungen und Lebenskosten sind 70% günstiger als in den Industrieländern und auch die Regierung des Bundesstaates Karnataka trägt zum Aufbau der Stadt zu Indiens neuem Startup-Mekka bei. Außerdem ziehen vermehrt gut ausgebildete Fachkräfte in die Stadt, so dass bis 2025 etwa 10 Millionen Menschen in ihr wohnen werden.
Der Bundesstaat Karnataka unterstützt den Standort durch besonders unternehmensfreundliche Rahmenbedingungen in Sonderwirtschaftszonen (Special Economic Zones - SEZ) in Bangalore die globale Wettbewerbsfähigkeit des Clusters sowie die internationale Etablierung Bangalores als Hightech-Cluster. Bundesministerium für Bildung und Forschung
Auch durch finanzielle Unterstützung beteiligt sich die Regierung an der Anziehungskraft der Stadt. So wurde zum Beispiel der 10,4 Millionen Dollar schwere "K-Bio Venture Capital Fund"- Förderungsfond eingerichtet, Technologieparks (z.B. Electronic City) und Forschungseinrichtungen gebaut und Sonderwirtschaftszentren errichtet. Allein in der Informations- und Kommunikationstechnologie- Branche (kurz IKT) gibt es über 100 Forschungseinrichtungen. Außerdem finden wir hier sieben Universitäten und ganze 200 Colleges. Da passt es gut ins Bild, dass der durchschnittliche Gründer mit 28,5 Jahren sein Geschäft baut.
Desweiteren unternimmt der Staat Investitionen, um die Stärken der Stadt weiter auszubauen. Geplant ist der Ausbau der Technologieparks wie Electronics City, die Schaffung neuer Standorte für Unternehmen wie der Aerospace Park und Bangalore Helix in der ECity, ein Pharmazeutik- und Biotechpark in Mysore und der marine Biotechpark.
Zwischen 3.100 und 4.900 Tech-Startups sind hier angesiedelt, die Venture Capital Investments beliefen sich 2014 auf etwa 2,25 Milliarden US-Dollar. Einst als "Back Office" (Hinterzimmer) der Welt bekannt, ermöglicht Bangalore es Startups heute, zu Milliardenunternehmen zu werden. Flipkart und InMobi sind bekannte Einhörner aus der Megacity.
Es gibt sogar ein Image-Video bei Youtube (Bangalore als Traumstadt für Startups!):
Wenn eine Stadt rasant wächst, die Bevölkerung mit jedem Jahr mehr wird und immer mehr Wirtschaftswachstum ermöglicht wird, hat dies zur Folge, dass die Infrastrukturen zusammenbrechen können, wenn sie nicht proportional mitwachsen. Die Straßen sind überlastet und kaputt, es fehlen Brücken und Müllentsorgungsstrukturen. Es gibt keine Kanalisation, keine oder zu wenig Busverbindungen.
Außerdem fehlt es zwar nicht an Studenten, dafür aber an ausgebildeten Lehrkräften. Indien hat daher einen 5-Jahres-Plan entwickelt, der bis 2017 die Ausbildung von jährlich 20.000 neuen Lehrkräften ermöglichen soll.
Gerade in den Entwicklungs- beziehungsweise Schwellenländern können die Tech-Standorte eine enorme Bedeutung bekommen. Unbefriedigte Grundbedürfnisse und gesellschaftliche und soziale Probleme können durch Wirtschaftswachstum und innovative Ideen möglicherweise gelöst werden.
Ähnlich verhält es sich auch im Ökosystem São Paulo (Brasilien), der Region mit dem drittstärksten Wachstumsfaktor.
Mit rund 20 Millionen Einwohnern ist São Paulo (Metropolregion) die Stadt der Superlative Südamerikas: die größte Stadt Brasiliens, das größte industrielle Ballungsgebiet in Lateinamerika und das wichtigste Wirtschafts-, Finanz- und Kulturzentrum der Südhalbkugel. Es hat im Ranking den drittgrößten Wachstumsfaktor (3,5).
Wie auch in Bagalore gibt es in São Paulo viele Immigranten und Zuwanderer: Portugiesen, Italiener, Deutsche, Libanesen und Japaner werden als Haupt-Einwanderergruppen gezählt. Sie machen die Stadt cosmopolitisch, so sehr, dass sie hin und wieder mit New York verglichen wird.
Schon seit den 1920er- Jahren war São Paulo wirtschaftlich stark. Insbesondere Fahrzeug- und Maschinenbau, Textil-, Metall- und Nahrungsmittelindustrie machten den Standort so attraktiv. Das Wirtschaftswunder von Brasilien in den 1970er Jahren brachte weiteres Wachstum. Mittlerweile gibt es in der Megastadt zwischen 1.500 und 2.700 aktive Tech-Startups. Sie kommen besonders aus den Bereichen E-Commerce, Software as a Service (SaaS), Mobile, Marktplätze und Dienstleistungen. Mit durchschnittlich 31,7 Jahren wird das eigene Startup gegründet.
2014 beliefen sich die VC-Investments auf eine Summe, die nur knapp hinter Tel Aviv lag. Auch VCs (Venture Capital Gesellschaften) aus dem Silicon Valley wurden auf die Stadt aufmerksam. Redpoint Ventures und 500 Startups sind deshalb in den Flieger gestiegen und nun auch in São Paulo aktiv.
Volkswagen, Daimler, Mercedes - in São Paulo haben 1000 deutsche Konzerne Niederlassungen. Es finden sich 80 anerkannte Hochschulen, darunter die Universidade de São Paulo - die beste Universität in Lateinamerika.
Brasiliens Wirtschaft strauchelte in der letzten Zeit. Dies wirkt sich natürlich auch auf die zunehmend lebendige Startup-Szene aus. Große Exits lassen bisher noch auf sich warten und neben der Umwelt- und Luftverschmutzung behindern relativ hohe Kosten für Unternehmensgründungen und langwierige Bürokratie das weitere Wachsen als Tech-Standort. Ein Viertel der Bewohner São Paulo leben außerdem in Favelas, den Elendsvierteln. Genug reale Probleme also, für die man Lösungen entwickeln könnte.
Hier setzt Gustavo Caetano, CEO von SambaTech auch an:
"Es gibt sehr viele Möglichkeiten in Brasilien. Wir haben große Probleme wie Bildung, Gesundheit und so weiter, die durch Startups behoben werden können. Es ist ein riesiger, lokaler Markt!"
1. vergleichbar geringe Lebenshaltungskosten
2. eine hohe Dichte an Bildungseinrichtungen
3. viele junge Menschen, möglichst aus unterschiedlichen Kulturkreisen
4. Nähe zur "old economy" (etablierter Wirtschaft, vor allem Industrie)
Darin lässt sich auch Berlin wiederfinden. Wenn man allerdings die anderen 17 Städte ansieht - darunter New York, Los Angeles, Boston, London, Sydney und Amsterdam - scheint der erste Punkt (vergleichsweise niedrige Lebenshaltungskosten) nicht immer zutreffen zu müssen. Bildungseinrichtungen und Talente sind dagegen enorm wichtig für die Entwicklung neuer Technologien und Geschäftsmodelle.
Noch einmal zurück zur Tabelle von oben: Moskau, in der Gesamtwertung auf Platz 13, bekam eine 2 für das Talentevorkommen. Damit liegt es direkt hinter dem Silicon Valley. Grund genug, sich das Ökosystem in Russland demnächst einmal genauer anzusehen.
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