Wer an Kopenhagen denkt, hat zunächst eine kühle Meeresbrise um die Nase, bunte Häuser an Kanälen und wunderschöne Däninnen im Kopf. Ein paar Monate vor der Entstehung dieses Artikels war ich aus rein touristischen Absichten einmal da, man kommt ganz leicht von Berlin mit dem Bus dorthin. Das mit den wunderschönen Däninnen kann ich bestätigen, was aber bewegt sich in der Stadt mit der kleinen Meerjungfrau aus Sicht der Startup-Welt?
Die Region Kopenhagen / Malmö wächst und gedeiht: Copenhagen for the win (#CPHFTW) – eine Plattform für alle Kopenhagener Startupper fasst es zusammen:
3845 Gehirne brüten in bereits 430 Tech-Startups, dort trank man entspannte 1265 Kaffee seit Anbeginn der CPHFTW-Zeitrechnung und 86 weitere Startups befinden sich gerade in der Gründung. Mit knapp 1,3 Millionen Einwohnern ist Kopenhagen noch mal deutlich kleiner als Berlin oder London, aber wie jede andere europäische Hauptstadt dem Vergleich ausgesetzt: Wo gibt es die pulsierendste Szene, die innovativsten Ideen und die bedeutendsten Exits?
Und ja, die kommen nicht nur in Tel Aviv und Berlin vor, sondern auch in Kopenhagen. Dort ist übrigens gerade die Startup Europe Week.
Die nordischen Länder haben früh die Bedeutung einer florierenden, wachsenden Startup-Kultur erkannt und die Bedingungen dementsprechend angepasst. Daher gibt es wirklich sehr gute Gründe, in Kopenhagen ein Startup zu gründen:
1. Firmengründungen können durch Online-Registrierungen innerhalb von ein paar Stunden realisiert werden.
2. Es sind keine notariellen Beglaubigungen nötig, womit Zeit und Kosten gespart werden.
3. Viele Dokumente können auch in englischer Sprache ausgefüllt werden, wenn die eigenen Dänisch-Kenntnisse also noch rudimentär ausgeprägt sind, ist das nicht weiter schlimm.
4. Weder CEO noch Management braucht die dänische Staatsbürgerschaft. Damit sind Talente aus dem Ausland gern gesehen und die gesamte Einwanderungsbürokratie kann umgangen werden.
Durch die hohen Steuern in Dänemark wird ein großzügiges Sozialsystem bereitgestellt, mit der Folge, dass viele junge Dänen einfach weniger zu verlieren haben. Die Angst vor dem Scheitern ist lange nicht so groß wie anderswo.
Berlin hat Zalando, 6Wunderkinder und Soundcloud - welche Startups machen in Dänemark von sich reden?
Zendesk, area9 oder Trustpilot machen es vor – die Dänen raffen einmal mehr die Segel und ziehen in die Welt. 2007 in Kopenhagen gegründet, hat Zendesk, das eine cloudbasierte Kundenservice-Plattform vertreibt, mittlerweile seinen Hauptsitz in San Francisco, 500 Mitarbeiter und 2014 den Gang an die New Yorker Börse geschafft.
Area9, ein 2006 gegründetes Unternehmen, das adaptive Lern-Technologien entwickelt, wurde 2014 vom amerikanischen McGraw-Hill für 130 Millionen EUR übernommen.
Trustpilot, eine Online-Community, die Kunden mit den Unternehmen zusammen bringt, bei denen sie einkaufen, hat mittlerweile schon 116,9 Millionen EUR Funding eingesammelt und 500 Mitarbeiter in seinen Büros in Kopenhagen, London, New York und Melbourne.
Gerade in den Bereichen IT, erneuerbare Energien, Lebensmitteltechnologie und Pharmazie und (See-)Handel starten die Dänen mit den Technologieunternehmen durch. Und die Szene wird immer lebendiger. Ich glaube übrigens schon lange daran, dass diese Gründerattitude á la Ich-glaube-dran-und-mach-einfach-und-wenn-es-das-letzte-ist-was-ich-tue irgendwie ansteckt.
Um die hiesige Atmosphäre am Besten zu spüren, könnte zunächst mal ein Blick in einen der drei Acceleratoren riskiert und ein paar dänische Keywords aufgeschnappt werden: Zur Auswahl stehen der Thinkubator, Accelerace oder der GoGrow Accelerator.
Gründer wie Jens, Erdem, Rune und Alexander von AirDonkey (das "AirBnB für Fahrräder"), Oliver und Mark von Tipsterville (ein soziales Tipp-Netzwerk), Kevin und James von Blackbeard.io (einem Server-Hosting Service, das auf Container setzt) könnten vermutlich noch im Rainmaking Loft (”Heroes at work”), bei Veranstaltungen im Founder´s House oder vielleicht auch im Soho beim Co-Working getroffen werden.
Das Soho liegt im Viertel Kødbyen, ehemaliger Fleischverarbeitungs-Distrikt und heute kreatives, vibrierendes Viertel für junge Unternehmer, und kann bis zu 350 Arbeitsplätze bieten. Mit 6000m² Fläche und wirklich ziemlich durchdesignten Räumen (man werfe nur mal einen Blick in den Spiel - oder den Konferenzraum!) kann der Gründer hier denken, arbeiten und wachsen. Auf die Dachterasse mit Blick auf das Meer kann man schon ein bisschen neidisch werden.
Aber es geht noch näher - das Nest Kopenhagen macht Co-Working zu Co-Living: 21 Entrepreneure leben in vier Apartments zusammen. Die Gründer-WGs teilen nicht nur die Wohnungen und den Alltag, sondern eben auch den gleichen Innovations- und Startupspirit. Wer einmal lesen möchte, wie das dort so ist, dem sei das Interview der Gründerszene mit Morten Krarup Kristensen empfohlen.
Ein Blick auf die Startup-Karte Kopenhagen lässt schon mal erkennen, dass es beinahe so viele finanzierte Startups gibt, wie die, die „gebootstrapped“ - also eigenfinanziert sind. 12 haben bereits einen Exit geschafft, 3 sind bisher gescheitert:
Die Netzwerkseiten #CPHFTW und Oeresund Startups sprechen gerade über Peakon (entwickelte ein neues Werkzeug zur Analyse von langfristigem Mitarbeiter-Engagement), welches die Beta-Version des Tools komplett gelaunched und nebenbei 4 Millionen Euro Funding eingesammelt hat, über die Partnerschaft von Falcon Social (eine Software-as-a-Service-Firma für Social Media Management) mit Instagram, Facebook und Twitter, und über Monsenso (ein E-Health-Startup, das sich mit der Behandlung von Essstörungen und Borderline-Persönlichkeitsstörungen auseinandersetzt), das gerade rund 200.000€ für Versuchsstudien einsammelte. Außerdem freuen sich die Startupper über den Besuch bei US-Botschafter Rufus Gifford und auf das Event Startup Live am 8. Februar in Malmö.
”Investoren sind hier sehr konservativ,” sagt Anders Ibsen, bekannter Entrepreneur und Investor, gegenüber der Financial Times.
„Es fällt in Dänemark schwer, Geld einzusammeln. Sogar Venture Capital Firmen vermeiden das Risiko. Viele von denen waren nie selbst Entrepreneure, investieren daher nicht in die Vision sondern eben das Geschäftsmodell. Dazu kommt, dass es einfach weniger Kapital gibt.“
Ibsen startete selbst als Programmierer - gründete mit Sharewall, squar-d und atosho drei international bekannte Firmen - und kann mit fast 20 Jahren Berufserfahrung ind er Branche durchaus als Experte bezeichnet werden.
Zu den großen, aktiven VC-Firmen gehören Northzone, Sunstone, Creandum, Northcap und Seed Capital. 230 Millionen Euro wurden 2015 nach Angaben des Nordic Web in dänische Startups investiert. Zum Vergleich: 2015 wurden Startups in Deutschland mit 3,1 Milliarden Euro finanziert.
Vielleicht können wir ja demnächst einmal ein dänisches Startup mit der Crowd finanzieren? Talente, Ideen und Expertise scheint es dort auf jeden Fall en masse zu geben!
Vorschläge werden ausdrücklich erwünscht!
Das Header-Bild zeigt den Dome of Visions, ein Projekt, welches sich mit Innovationen und Architektur im urbanen Raum auseinandersetzt und für den kommenden Klimawechsel nach Lösungen sucht.
Foto: Martin Manthorpe/Dome of Visions
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