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von Cristin Liekfeldt

Wie ein Gründerteam Wasser in Ägyptens Wüste bringt

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Wie ein Gründerteam Wasser in Ägyptens Wüste bringt

Als Yumna Madi 2011 aus der Tür ihres Arbeitgebers tritt, muss sie erst einmal tief durchatmen. Soeben hat man den Bereich Erneuerbare Energien der Firma komplett aufgelöst. Die studierte Ökonomin mit einem Master-Abschluss in International Relations, International Economics und Energy and Environmental Policy ist wie vor den Kopf gestoßen. Ägypten, ein Land im sogenannten Sonnengürtel der Welt mit großen landwirtschaftlichen Herausforderungen, nutzt seine allergrößte Ressource nicht: Die Sonne.

Dabei ist vor allem die Energieversorgung ein großes Problem. Energie wird immer noch mit Gas oder Diesel gewonnen, die Versorgung ist unregelmäßig. Immer wieder gibt es Stromausfälle, besonders wenn im Sommer die Klimaanlagen auf der höchsten Stufe laufen. Nur etwa sechs Prozent der ägyptischen Landfläche werden von Menschen bewohnt und landwirtschaftlich genutzt: Die Region entlang des Nils, das Nil-Delta, die Städte am Meer im Norden und einige Oasen. Diese Regionen gehören jedoch mit rund 95 Millionen Menschen zu den am dichtesten besiedelten Regionen der Welt.

Als Yumna an diesem Tag das Bürogebäude verlässt, weht in Ägypten der Wind der Revolution. Als die tunesische Jasminrevolution vor kurzem im Nachbarland begann, erreichte der arabische Frühling wenig später auch Ägypten. Rufe nach Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit wurden laut. Präsident Mubarak, der das Land lange in einer Pseudodemokratie regiert hatte, trat zurück. Die Wahlen begannen und nun kämpft Ägypten seit Jahresbeginn um seine Rechte.

Aus Not mach Tugend

Auch Yumna hat die Gene einer Kämpferin. Sie gründet mit Ahmed Zahran, Xavier AuClaire und Randa Fahmy kurzerhand selbst ein Unternehmen, das sich der Herstellung von alternativen Energiesystemen verschreibt. So wird noch im Oktober des gleichen Jahres KarmSolar ins Leben gerufen.

„Wir haben direkt nach der Revolution gegründet, in einer aufwühlenden Zeit. Unser Produkt ist hochtechnologisch, aber die Menschen glaubten nicht mehr daran, dass ägyptische Unternehmen solche hochentwickelten Lösungen anbieten können. Dieses Stigma mussten wir erst einmal aufbrechen und den Glauben an ägyptische Technologien wiederherstellen. Dazu kam, dass Solarenergie seit den 1990er Jahren einen schlechten Ruf hat. Solarwasserheizkessel, die schnell zusammenbrachen, sind auf den Markt geschwemmt worden“, erzählt Ahmed Zahran, CEO von KarmSolar. Yumna, in den Bereichen Marktforschung und –Analyse, Kundenbetreuung, Business Development, Projektkoordination und Kommunikation zuständig, ergänzt: „Wir hatten trotzdem die Leidenschaft für die Industrie und wussten, dass wir hier etwas entwickeln können, das einzigartig und auf die gesamte MENA-Region (Middle East & North Africa) anwendbar ist.“


Solarbetriebene Wasserpumpen: KarmSolar ersetzt Dieselgeneratoren, ©KarmSolar
Solarbetriebene Wasserpumpen: KarmSolar ersetzt Dieselgeneratoren, ©KarmSolar


Noch wird in Ägypten vor allem Diesel verbrannt. Zur Wassergewinnung, zum Betreiben der Klimaanlagen, zur Stromversorgung. „Aber Diesel ist nicht nachhaltig und stark von der Regierung subventioniert. Gerade deshalb wollen wir eine Lösung finden, die uns weniger abhängig vom Diesel macht“, führt Ahmed aus.

2012 startet das erste Projekt in der Bahariya Oase in der Westlichen Wüste. Dort leben Farmer und Kleinbauern, die vom Stromnetz größtenteils abgetrennt sind. Unregelmäßig kommen Tankwagen in die Gegend, die den Diesel-Brennstoff für die Generatoren liefern. Durch die Verbrennung von Diesel werden unter anderem Pumpen betrieben, die Grundwasser aus den tieferen Erdschichten pumpen. Nur so kommen die Farmer an Wasser. KarmSolar ersetzt alle Generatoren durch Solarsysteme, die Hochleistungswasserpumpen betreiben. Die eigenständig arbeitende Wasserpumpanlage wird durch Solarenergie betrieben. Die elektrischen Pumpen sind tauchfest und werden im Boden versenkt. Durch die solarbetriebene Energie wird die Pumpe in Gang gesetzt und kann in Punkto Geschwindigkeit auf die Bedürfnisse der Landwirte und der klimatischen Bedingungen angepasst werden.


Dies ist die technische Funktionsweise von den Wasserpumpen, ©KarmSolar<p><br></p>
Dies ist die technische Funktionsweise von den Wasserpumpen, ©KarmSolar


Weil das System so gut funktioniert, wird es patentiert und erhält den HCT-Wharton Innovation Award. Das unerschlossene Potenzial ihrer Technologie wird den Gründern klar: Die Verwendung von Solarenergie als größte Energieressource würde die Wassergewinnung und damit die Landnutzung in den Wüsten und Halbwüsten Ägyptens möglich machen, Landwirtschaft könnte auch in den entlegeneren Gebieten funktionieren. Doch das stellt eine große Herausforderung dar: etwa ein Viertel des Staatshaushaltes wird im Land der Pharaonen für Diesel-Subventionen ausgegeben, die gesamte Industrie ist auf die Verbrennung von fossilen Stoffen ausgelegt.

Doch auch der Staat begreift, dass die immensen Kosten für die Stromversorgung auf Dauer unhaltbar sind. Er fördert die Forschung für Solarenergie. Viele Unternehmen melden sich für das Programm an, es kann schnell die Anfragen nicht mehr verarbeiten. Dadurch kommt eine weitere Herausforderung auf die Ingenieure und Mitarbeiter von KarmSolar zu: Sie müssen besser, stabiler und wirtschaftlich günstiger sein als die fossile Energiegewinnung.

Zentrale Stromversorgung war gestern: Mit Solarenergie kann Landwirtschaft sogar in der Wüste funktionieren

Heute, rund sechs Jahre später, ist KarmSolar Ägyptens größter, vom allgemeinen Stromnetz unabhängiger, Solarenergie-Produzent. Die Energie wird dort verbraucht, wo sie produziert wird – dezentral. Mithilfe der Sonnenenergie werden Wasserpumpen betrieben, so dass auch außerhalb der fruchtbaren Region um den Nil Wasser für Menschen zugänglich wird. „Wir haben die Perspektive auf Solarenergie gewechselt und nebenbei hohe Industriestandards gesetzt. Dadurch sind wir übrigens auch die erste Firma in Ägypten, die das Finanzierungsproblem für erneuerbare Energien überwunden hat: Wir konnten gerade 1 Million US-Dollar für eine 1-Megawatt-Solarstation für einen Landwirtschaftsbetrieb einsammeln“, erklärt Ahmed.

Schon die alten Ägypter haben durch Kanalsysteme und ausgeklügelte Wasserleitsysteme die beständige Hitze und Kargheit ihres Landes überwunden und Landwirtschaft möglich gemacht. So denken auch Yumna und Ahmed. „Unsere Mission ist, das weltweit innovativste Unternehmen im Bereich Solarenergie zu werden, das die Energieversorgung der Menschen tiefgreifend verändert – von einer zentralen Energieproduktion weg zu einer nachhaltigen, lokalen und unabhängigen Alternative. Besonders in Ägypten ist das wichtig, da wir dadurch Wüstenregionen nutzbar machen, die viel zu weit von der zentralen Energiegewinnung entfernt sind“, beschreibt Yumna.

KarmSolar hat neben der Entwicklung von Hard- und Software und dem Aufbau von dezentralen Solarpaneelen aber auch noch ein weiteres Projekt. Sie wollen nicht nur Wasserpumpen bauen, die mithilfe von Solarenergie das lebensnotwendige Wasser in die Landwirtschaftsbetriebe der ägyptischen Wüste bringen, sondern dort das Leben ermöglichen. Mit dem Zweig KarmBuild sollen umweltfreundliche Häuser gebaut werden, die mit günstigeren Materialien gebaut, Energie-effizient und lokal produziert werden.


So könnten die solar-betriebenen Häuser und Dörfer in der entlegenen Wüste aussehen, wenn es nach KarmSolar geht, ©KarmSolar
So könnten die solar-betriebenen Häuser und Dörfer in der entlegenen Wüste aussehen, wenn es nach KarmSolar geht, ©KarmSolar


„Die Kombination aus Solarenergie, effizientem und energiesparendem Material, lokal abgebaut mit viel geringerem Zementanteil, das ist die Zukunft. Wir eröffnen damit wirklich eine reale und substanzielle Alternative zu konventionellem Material. Mit einem Kurswechsel zu einer umweltfreundlichen und stabilen Energieversorgung können wir einen echten Effekt auf die Region erzielen, und hoffentlich auch auf den Planeten“, ergänzt Mohamed Bassyouni. Der 25-jährige Ingenieur für Regenerative Energien arbeitet bei KarmSolar im Bereich Entwicklung, Design sowie Forschung und Entwicklung.

2015 schloss der ägyptische Energieminister Mohammed Schaker mit dem russischen Konzern Rosatom einen Deal: Vier neue Atomkraftwerke werden mithilfe eines russischen Kredits unbekannter Höhe gebaut. 35 Jahre lang wird Ägypten den Kredit abzahlen. Ein Rückschritt für die Solarenergieverfechter und überzeugten Dezentralisten. Auf dem Weg zur führenden Energienation Afrikas geht das Land wieder Vereinbarungen mit ausländischen Unternehmen ein, die „auf Pump“ Kraftwerke bauen, statt die Menschen vor Ort unabhängig und lokal mit unweltfreundlicher Energie zu versorgen, die den Menschen in der Wüste Arbeit gibt und ihr Überleben sichert.

Mit Vision, Hartnäckigkeit und Technologie Rückschritte überwinden

In wenigen Jahren wird die Bevölkerung nach Schätzungen der United Nations auf über 150 Millionen Menschen ansteigen. Alle konzentrieren sich auf rund sechs Prozent der Fläche des Landes. Es wird eng in Ägypten.

KarmSolar wird weiter daran arbeiten, das Potenzial der Sonnenenergie freizusetzen. „Um Ägypten zu ermutigen, Solarenergie stärker zu nutzen, müssen wir die Infrastruktur, die Benutzerfreundlichkeit und den Betrieb von Solaranalgen weiter optimieren. Aber das Potenzial der Solarnutzung ist massiv. Wir müssen es nur freisetzen“, fasst Ahmed die Situation zusammen.


Manchmal ist es nicht leicht, Pionier zu sein. Aber es scheint, als hätten Startups wie KarmSolar eben manchmal auch den schärferen Blick für das große Ganze.

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