An diesem Mittwoch Abend füllt sich der Keller der Factory Berlin wieder mit Neugierigen: Star-Investor Frank Thelen ist zu Besuch.
Ein Hauch von Mythos umgibt diesen Mann. Gründer, Investor, Visionär – was kann ein einzelner Mann alles sein?
Vor wenigen Jahren noch war er vor allem Kennern der Startup-Szene ein Begriff, doch spätestens seit der Fernsehshow „Die Höhle der Löwen“ ist er einem Millionenpublikum bekannt. Dort tritt er als der kauzige, strenge Tech-Investor auf mit einem Fokus auf Apps und dürfte so bereits C-Promi-Status erreicht haben. Doch mit der Gründerszene fühlt er sich noch immer enger verbunden als mit dem Fernsehkosmos.
Mit 18 gründete er sein erstes Unternehmen (Softer Solutions), 1992 baute er Europas größte Halfpipe. Doch Thelen ist nicht nur Rampenbauer und fünffacher Gründer, sondern auch Investor. Bisher bewies er auch in diesem Bereich einen guten Riecher: Als Geschäftsführer der e42 GmbH hat er bereits in Firmen wie MyTaxi, Wunderlist und Lilium Aviation investiert. Und nicht nur das, dieser Mann ist so innovativ, dass sogar Frau Merkel schon einmal seine Hand geschüttelt hat.
Wenn der Bonner Multimillionär (eigene Angabe) nicht gerade nach neuen Projekten Ausschau hält, dann steht er seinen Gründern mit Rat und Tat zur Seite. „Die Höhle der Löwen“, so Thelen, habe ihn sogar davon überzeugen können, auch mal in Nicht-Tech-Startups zu investieren. Frank Thelen investiert jetzt auch in Suppe.
Doch zurück zum ernsten Kern. Wenn ein deutscher Gründer vor Investoren pitcht, dann redet er meistens 20 Minuten über technische Details und vielleicht gibt es auch noch ein kleines bisschen Vision obendrauf. Das erscheint im Land der Ingenieure irgendwie auch natürlich. Doch könnte nicht genau dies der Grund sein, warum das nächste Google aus Deutschland bisher noch auf sich warten lässt?
Was macht denn eigentlich einen herausragenden Gründer aus? Gibt es einen Wendepunkt im Leben, ab dem man entscheidet, Gründer zu werden?
Im Leben von Frank Thelen gab es den jedenfalls nicht, wie er beteuert. Er ist der Ansicht, dass herausragende Gründer eine Charaktereigenschaft gemeinsam haben: Sie wollen die Welt verändern und sind davon überzeugt, dass sie das auch können. Herausragende Gründer seien deshalb Produkt- statt Markt-getrieben. Sie seien überzeugt davon, dass ihre Idee die Gesellschaft nachhaltig verändern wird und verschwenden im ersten Schritt keinen Gedanken daran, ob ein Markt für ihr Produkt existiert. Fans der Serie „Silicon Valley“ um das kalifornische Startup „Pied Piper“ werden das so unterstreichen. Aber kann es nicht auch ein bisschen beides sein?
An die deutsche Gründerszene richtet Thelen den Appell: „Seid mutiger, denkt größer!“ Deutschland fehle es insgesamt an visionären Gründern. Hierzulande liege der Fokus noch immer darauf, schnell zu skalieren und früh zu verkaufen, statt etwas Großes und Dauerhaftes à la Apple, Google oder Facebook aufzubauen. Ähnlich äußerte sich der Investor in einem aktuellen Stern-Interview. Dort kritisierte er: „Wir denken an den nächsten Shopping-Club, das nächste Restaurant-Ticketing. Wir haben fast keine Gründer, die neue Technologien entwickeln und den Killerinstinkt eines Elon Musk oder Mark Zuckerberg haben.“
Immerhin: Wir haben Frank Thelen.
Für die deutsche Wirtschaft malt Thelen an diesem Abend ein düsteres Zukunftsbild. Er zeigt sich frustriert über die Risikoscheu der Konzerne. Sie seien „zu langsam und zu unflexibel“ und riskieren dadurch, die Digitalisierung zu verschlafen. Die Konzerne würden vor allem die Tragweite des digitalen Wandels unterschätzen. Was früher der Faktor 1 war, ändere den Markt heute um den Faktor 10. Als warnendes Beispiel nennt er Nokia, das auch einmal ein stabiles Unternehmen gewesen sei, nur um dann innerhalb eines Jahres massiv einzubrechen. Wenn die deutsche Wirtschaft nicht aufpasse, ergehe es der Deutschen Bank, BMW und Co. bald genauso.
Eine Chance für Deutschland sieht Frank Thelen dennoch – und das ausgerechnet im deutschen Pessimismus. Der führe zwar dazu, dass deutsche Gründer nicht visionär genug sind, aber er führe auch dazu, dass sie realistischer als ihre amerikanischen Kollegen sind. Im Silicon Valley werde alles hochgejubelt und toll geredet, doch im Kern sei vieles nur Hype. Besonders Berlin sei daher gut beraten, das Valley nicht zu kopieren, sondern seinen eigenen Weg zu finden.
An einem Abend wie diesem durfte auch das große Thema Scheitern nicht fehlen. „Scheitern muss eine Option sein. Sonst stirbt man einen langsamen Tod“, so der Investor. Als Beispiel verwies er auf Jeff Bezos‘ Ausflug in die Welt der Smartphones. Für die Entwicklung des Amazon Fire Phone habe Bezos 200 Millionen Dollar aus dem Fenster geworfen. Doch er habe schnell eingesehen, dass es ein Flop sei und sich neuen Projekten zugewandt. Viele deutsche Konzerne halten dagegen zu lange an Fehlschlägen fest, weil Scheitern für sie keine Option sei.
Vom stilisierten Ton der „Fuck-Up Nights“, auf denen Gründer ihre Fehlschläge feiern, hält der Bonner wenig. „Redet über`s Scheitern, aber zelebriert es nicht. Es ist nicht cool, zu scheitern.“ Die Berliner sind schockiert.
Doch Frank Thelen weiß, wovon er spricht, immerhin stand er selbst mal kurz vor der Privatinsolvenz. Er habe eine Bürgschaft über eine Million Euro unterzeichnet, die er nicht bedienen konnte. Nur mit viel Geduld und etwas Verhandlungsgeschick konnte er die Bank davon überzeugen, ihn aus der Pflicht zu entlassen. Das habe ihn gelehrt, bei aller Leidenschaft für seine Idee nie bis zur äußersten Schmerzgrenze zu gehen. Sein warnender Rat an alle Gründer: „Unterschreibt nie etwas, dass ihr nicht erfüllen könnt!“
Zum Ende des Frank-Thelen-Abends dürfen die Zuhörer den Investor fragen, was ihnen eben so auf dem Herzen brennt.
Welcher Weg wäre am Besten, um einen Investor wie ihn, der immerhin beinahe unser eigener Elon Musk ist, anzusprechen? fragt ein Startupper schüchtern.
„Ganz ehrlich? Es gibt keinen Weg.“ antwortet Thelen. Die Hälfte der Zuhörer seufzt leise.
Er könne aber sagen, welche Fragen ein VC wie er in einem Pitch stellt: Ist das Produkt innovativ? Ist das Team kompetent? Und hat die Idee das Potenzial, eine Branche tiefgreifend umzuwälzen? Gründer müssten ihre Geschichte nicht nur überzeugend rüberbringen, sondern auch erklären, warum ausgerechnet sie die Idee am besten umsetzen können. Jetzt weiß zwar keiner, wie man an Thelen herankommt, aber immerhin was man sagen soll.
Am Ende richtet er sein Wort an einen jungen Mann im Publikum, der den Abend lang tatsächlich mit einem Schild mit der Aufschrift „Brauche Frühphasen-Finanzierung“ ausgeharrt hat. Thelen: „Sie sind das Risiko eingegangen, sich öffentlich der Lächerlichkeit Preis zu geben. Das erfordert Initiative und Mut. Ich gebe Ihnen nach der Veranstaltung fünf Minuten, mir ihre Idee zu pitchen.“
Credit Bilder: Twitter/ Factory Berlin
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