Lars Hinrichs ist einer der frühesten und bekanntesten Internetpioniere Deutschlands. Schon lange bevor es das World Wide Web gab, war Hinrichs fasziniert von der Möglichkeit, Menschen auf der ganzen Welt zu verbinden. In den neunziger Jahren, als die Welt sich noch mit dem Telefon in ein Modem loggte und das Piepen und Rumoren noch beim Nachbarn zu hören war, ist Hinrichs 13 Jahre alt und entdeckt das Internet. Die Telefonrechnungen sind manchmal vierstellig. Selbst als Nachfahre des Gründers der Hamburger Stadtbäckerei muss er sich überlegen, wie er diese Rechnungen bezahlt. Er entwickelt daher eine Strategie, um Firmen zu vermitteln, wie sie ins Internet gelangen. Mit nicht mal 15 Jahren ist Lars Hinrichs Internetunternehmer. Und seit dem hat sich viel getan.
"Die Möglichkeit, mit einem digitalen Geschäftsmodell die ganze Welt erreichen und verbinden zu können, war einfach so groß, dass ich sofort angebissen hatte. Der Reiz am Entrepreneurship kam später dazu, ich komme ja aus einer Gründerfamilie, die Wurzeln waren also längst da. Ich habe diesen positiven Gen-Defekt, sehe keine Risiken sondern Möglichkeiten. Und gründe Unternehmen.", antwortet Hinrichs auf die Frage von Chloë Daniel, Moderatorin dieser GTEC (German Tech Entrepreneurship Centre) Lesung.
Er spricht deutlich und ruhig, mit Freude in den Augen. Mit seinen 39 Jahren ist er der jüngste Aufsichtsrat im DAX (Deutscher Aktien Index), besitzt fünf Firmen, bei denen er jeweils etwa die Hälfte aller Anteile hält und machte mit einem besonders ambitionierten Immobilienprojekt vor etwas mehr als einem Jahr auf sich aufmerksam.
Als langfristige Anlage kaufte sich Lars Hinrichs im Hamburger Stadtteil Rotherbaum ein Haus, musste jedoch feststellen, dass der Denkmalschutz eine Modernisierung und Aufstockung kaum zuließ. Zum Glück jedoch stellte sich heraus, dass mehrere tragende Wände zu dünn gebaut wurden, Hinrichs durfte abreißen. Jetzt baut er hier das "ambitionierteste technische Mehrfamilienhaus" überhaupt, so die Zeit. Das Apartimentum schickt Nachrichten, wenn ein Brief im Briefkasten wartet, hat ein auf den menschlichen Biorhythmus abgestimmtes Licht integriert, das sich per Smartphone steuern lässt, eine smarte, die Wäsche analysierende Waschmaschine und lässt sich per Bluetooth ab- und aufschließen -um nur ein paar Features aufzuzählen.
Wirklich innovativ ist aber das neue Wohnkonzept: Die 17 Wohnungen werden nicht etwa regulär gemietet, das wäre schließlich Schnee von gestern. Bei Hinrichs wohnt man per Flatrate. Für 6 Monate, ein Jahr oder drei Jahre kann man einziehen und bucht gleich alles mit: Wohnraum, Strom, Internet, sämtliche Extra-Ausstattungen und -Dienste. 2.000 bis 8.000 Euro, je nach Größe der Wohnung, soll ein Luxusapartement kosten, schreibt die Zeit.
"Es werden Projekte nicht funktionieren. Es ist auch noch eine Frage, ob das Haus funktioniert. Aber das ist dieses Plan-B-Denken, das ich nicht mag. Ich mache lieber einen neuen Plan A.", Lars Hinrichs gegenüber der Zeit, Februar 2016
Der Hamburger Unternehmer legt sich nicht auf Spezialgebiete fest. Sein erstes Unternehmen, die Website politik-digital.de ist eine preisgekrönte Kommunikationsplattform für Internet- und Politik-Themen, Cinco Kapital ist eine Investmentgesellschaft, Xing (ehemal "Open Business Club") ein soziales Netzwerk zu Karrierezwecken. Neben den erfolgreichen drei Unternehmen gab es auch zwei Gründungen im Portfolio des Lars Hinrichs, die im weiten Sinne scheiterten: die PR-Agentur Böttcher-Hinrichs musste 2001 Insolvenz anmelden und beim Förderer von gründungsinteressierten Programmierern, HackFwd wurde 2013 aufgegeben.
"Ich glaube, ein Fehler ist erst dann ein Fehler, wenn man ihn zwei Mal macht. Das erste Mal ist vielmehr eine Lektion, ein Lerneffekt. Das klingt besser als ein Fehler. Ich hatte zum Anfang meiner Karriere viele Lektionen zu lernen. Auch mit Xing, aber wir haben eben mehr richtig gemacht, als falsch." meint Hinrichs.
Andersherum könnte man ihn fragen, was denn die Faktoren zum Erfolg waren. Es gibt viele Gründe, weshalb Startups scheitern. Aber wieso haben sie Erfolg?
"Viele Faktoren erklären den Erfolg: Das richtige Team, der richtige Zeitpunkt, etwas Glück. Als ich 2003 startete, gab es noch kein Business Model, dass sich beispielsweise durch Werbung finanziert. Also musste ich das Geld durch die Nutzer generieren, ihnen Geld abnehmen. Innerhalb von 90 Tagen waren wir cashflow positiv. [*Das heißt, ein Unternehmen nimmt im operativen Geschäft mehr ein, als es ausgibt, Kreditrückzahlungen oder Steuern sind allerdings noch nicht berücksichtigt].
Das wiederum ist eine tolle Ausgangsposition, wenn man Geld von VC-Investoren einsammeln möchte. Ich war viel erfolgreicher, als ich mir jemals vorstellte. Ich erinnere mich an die Zeit, in der wir an die Börse gingen. Ich sah auf meinen Exit-Businessplan und wir hatten innerhalb einer Woche das erreicht, was für ein ganzes Quartal veranschlagt war." erzählt der Multimillionär.
Scheitern und Fehler machen gehört ebenso zur Startup-Kultur wie ein Bier zur Europameisterschaft. So lange man aus ihnen lernt und nebenbei eben das Meiste richtig macht, kann eine Geschäftsidee den großen Erfolg bringen. Egal, ob man in Deutschland, Rumänien oder im Silicon Valley gründet.
"Viele Dinge haben sich gewandelt. Das Arbeiten in einem Startup ist eine echte Karriere-Alternative geworden. Und das ist schon viel besser als das, was in den 2000ern üblich war. In einem Startup zu arbeiten, ist angesehen und man kann enorm viel dabei lernen. Eigentlich ist das sogar besser als die Standard-Karriere. In einer Standard-Karriere entscheidet man sich entweder für oder gegen das Studieren. Ich habe an meinem ersten Tag in der Uni wieder aufgehört und angefangen, Unternehmen zu gründen. Eben weil ich diesen positiven Gen-Defekt habe." sagt der Vollblut-Entrepreneur.
Richtige Entrepreneure können anscheinend nicht anders, als immer wieder auszuprobieren und daran zu glauben, mit einem tollen Projekt erfolgreich sein zu können. Ich hege allerdings die Hoffnung, dass das nichts mit Genen zu tun hat. Denn hart arbeiten und eine kreative, neue Idee kann doch eigentlich jeder, oder nicht?
Vielen Dank an die Organisatoren vom GTEC für diese hochkarätige Lesung!
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