Gemeinsam ab 250 Euro in innovative Startup-Unternehmen investieren

von Cristin Liekfeldt

Zuse: Ein Leben zwischen null und eins

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Zuse: Ein Leben zwischen null und eins

Wer im deutschen Technikmuseum in Berlin in das erste Obergeschoss steigt, findet sich schnell in einem Raum mit drei großen Schränken wieder. Angefüllt mit Kabeln, Knöpfen, Spulen und blauen Plastikverkleidungen steht da, was mit einfacher Faulheit anfing: Der erste Computer der Welt.

„Ich bin zu faul zum Rechnen“, sagt Konrad Ernst Otto Zuse, ein junger Mann mit markanter Nase, ordentlich nach hinten gekämmten Haaren und runder Brille. 1936, zwischen zwei Weltkriegen, arbeitet er in Berlin-Schönefeld als Statiker bei der Henschel Flugzeug-Werke AG. Dort berechnet er mit Logarithmentafeln und Rechenschiebern immer die gleichen Statikaufgaben. Der Ingenieur, der sich nie zwischen Kunst und Technik entscheiden konnte, schmeißt den Job hin und beschlagnahmt das Wohnzimmer seiner Eltern. Zu Erfindungszwecken. Seine Eltern Maria und Emil Zuse kennen die Leidenschaft des jungen Konrads, unterstützen ihn bei der Verwirklichung seiner Projekte, auch wenn sie nicht gerade begeistert sind.

Schon in der Schule erfand der aufgeweckte Junge seine ersten Maschinen. „Zuses Mandarinenautomat“ konnte nach dem Einwurf von Münzgeld Obst und sogar Wechselgeld ausgeben. Mit seinem Metallbaukasten konstruierte er einen Kohlenverladekran. Während seiner ersten Berufsjahre als Statiker entwickelt er eine neue Idee: Eine programmierbare Rechenmaschine, die Ingenieuren wie ihm die Arbeit abnimmt.

„Seit etwa einem Jahr beschäftige ich mich mit dem Gedanken des mechanischen Gehirns.“     - Konrad Zuse, 1937.

Zwei Jahre lang schraubt Zuse in der Wohnzimmer-Werkstatt am „Z1“, einer mechanisch arbeitenden Rechenmaschine. Dazu beschäftigt sich mit Gottfried Wilhelm Leibniz und dessen mathematisch-theoretischem Zahlensystem zur Basis 2 – das binäre System, in dem es nur die Ziffern 0 und 1 gibt.

Er entwickelt die sogenannte „Bedingungskombinatorik“: Die Bauelemente, die er in seinen Konstruktionen verwendet, bestehen nur aus zwei definierten Zuständen: Falsch und wahr. Die Maschine kombiniert mechanisch diese Bauelemente miteinander und errechnet so Wahrheitswerte. 1000 Zahlen kann der Z1 speichern – und das Wohnzimmer der Zuses steht voll mit Schaltschränken. Wenn die Bauteile sich ineinander verhaken, dann ruckelt die Maschine, knackt und schweigt danach.


Während Zuse im Kreuzberger Wohnzimmer versucht, seine Bauteile in den Griff zu bekommen, verändert sich Deutschland. Menschen verschwinden, eine neue Partei namens NSDAP putscht sich in die Weimarer Republik. Sie verunsichert, verfolgt und mordet. Schließlich übernimmt Adolf Hitler die Macht im Land. Wenig später führt er Deutschland in den zweiten Weltkrieg. 1940 wird Konrad Zuse zum ersten Mal in die Armee einberufen.

Doch er kämpft nie als Soldat für Deutschland. Stattdessen wird er zur Sonderabteilung der Henschel Flugzeug-Werke AG beordert und entwickelt Spezialrechner zur Flügelvermessung. Er arbeitet mit an der Entwicklung der ferngesteuerten Gleitbombe Hs 293. Durch diese Arbeit wird er als „unabkömmlich“ eingestuft und muss nicht als Soldat dienen. 

Während der Krieg tobt, gründet Zuse seine erste Firma.


À la Zuse: Ein Startup gründen anno 1941

Das „Zuse Ingenieurbüro und Apparatebau“ ist das einzige Unternehmen in Deutschland, das Rechner entwickeln darf. Das Nazi-Regime hält Zuses Technik für wichtig. Mittlerweile ist es 1941 und der Z3 hat seine beiden Vorgänger abgelöst. Er ist der erste funktionsfähige Computer der Welt. Sein Herz besteht aus einer Zentralrecheneinheit aus Telefonrelais. Dank dieser Zentraleinheit und des Speichers können Berechnungen programmiert werden. Auch der Z3 nutzt die binäre Gleitkommarechnung, die schon im Z1 zum Einsatz kam.


Der erste funktionierende Computer der Welt: Zuses Z3 // Quelle: Wikipedia
Der erste funktionierende Computer der Welt: Zuses Z3 // Quelle: Wikipedia


Das Problem, dass der Z3 praktisch lösen soll, ist das sogenannte „Flügelflattern“. Das Flattern trat in den 1930er Jahren das erste Mal auf: Selbsterzeugte Schwingungen von Bauteilen, zum Beispiel der Tragflächen eines Flugzeuges, führen zum Bruch der Bauteile. Zahlreiche Flugzeuge waren bereits abgestürzt und so soll der Z3 zur Erstellung einer Matrix eingesetzt werden, die das Luftfahrtproblem löst. Alle Bauteile eines Flugzeuges sind beim Flattern beteiligt und da man das Zusammenwirken der einzelnen Kräfte noch nicht begriff, sollte der Z3 helfen.

In dem „Startup“ arbeiten 20 Menschen. Finanziell wird Zuse durch seinen Vater, seine Schwester und andere private Geldgeber unterstützt. Konrad Zuse hat seine ansteckende Art, Menschen von seinen Ideen zu überzeugen, seit seiner Jugend behalten und professionalisiert. 

Neben der Z-Reihe entwickelt Zuses Ingenieurbüro für die Henschel-Werke zwei Spezialrechner: Den S1 und den S2. Beide dienen der Flügelvermessung der Henschel-Gleitbombe Hs 293. Die Nationalsozialisten investieren 250.000 Reichsmark in die Computerentwicklung Zuses. Der kommt bei der Entwicklung auf eine neue Idee: Er mechanisiert das Ablesen von Messuhren und erfindet den Analog-Digital-Wandler.


Zuse zwischen Krieg und Wissenschaft

Während Zuse an seinen Computern arbeitet und Fortschritte macht, gerät er immer tiefer zwischen die Fronten des Krieges. Für seine Firma stellen ihm die Nazis Arbeiter zur Verfügung, von denen einige später als Zwangsarbeiter gelten werden, da sich diese Menschen ihren Arbeitsplatz nicht aussuchen durften. 

Während die Nazis in die Technologie investieren, muss Zuse sie für die Entwicklung von Bomben einsetzen.

„Nur zu oft ist der Erfinder der faustische Idealist, der die Welt verbessern möchte, aber an den harten Realitäten scheitert. Will er seine Ideen durchsetzen, muss er sich mit Mächten einlassen, deren Realitätssinn schärfer und ausgeprägter ist. In der heutigen Zeit sind solche Mächte, ohne dass ich damit ein Werturteil aussprechen möchte, vornehmlich Militärs und Manager. […] Nach meiner Erfahrung sind die Chancen des Einzelnen, sich gegen solches Paktieren zu wehren, gering.“       - Konrad Zuse, 1993 über sein Wirken zur Nazi-Zeit

Die Weiterentwicklung des Z3 wird durch die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt gefördert. Auch der Z4 soll wieder ein elektromechanischer Rechner werden. Ein Mitarbeiter von Zuses Ingenieurbüro kommt auf die Idee, diesen zu Tarnungszwecken in V4 umzubenennen. V1 und V2 waren die Namen von Vergeltungswaffen und durch diese Tarnung kann der V4 nach Göttingen transportiert werden, raus aus Berlin, wo Bomben Zuses Firma zerstören. Der Z3 wird dabei vernichtet. Doch in Göttingen gelingt der Wiederaufbau des Z4.

Bei der Flucht nach Süden stößt Zuse auf das Konzentrationslager Mittelbau-Dora und flüchtet nach der amerikanischen Besetzung mit dem Raketenwissenschaftler Wernher von Braun nach Bayern. 1945 und 1946, Zuse hat inzwischen geheiratet, kann er nicht arbeiten. Sein Z3 ist zerstört, der Z4 unvollständig, die Anmeldung zum Patent gestoppt und er selbst im Allgäu untergetaucht. Hier malt er Gämsen und verkauft die Bilder an amerikanische Touristen. Damit verdient er den Lebensunterhalt für die Familie.

Nach dem Krieg spürt Professor Eduard Stiefel Zuse im Allgäu auf. Er lässt sich den Z4 vorführen und zahlt Zuse dafür so viel Geld, dass er zum zweiten Mal gründet: Die Zuse KG. 


Im Jahr 1950 ist der Z4 der einzige funktionierende Computer in Mitteleuropa und der einzige kommerzielle der Welt.


Zuse zwischen technischem Fortschritt und finanziellem Ruin

Seit 1941 hatte Zuse 58 Patente angemeldet. Doch im Nachhinein erheben die Firmen Triumph und IBM dagegen Einspruch. 1967 wird Zuse das Patent für den Z3 wieder aberkannt.

Die verwendeten Bauteile hätten schon vor der Verwendung im Z3 existiert, Zuse die Teile nur neu angeordnet. 

Von 58 Patenten werden ihm nur acht zugestanden.

Die Zuse KG produziert bis ins Jahr 1967 insgesamt 251 Computer. Dann beginnt das Zeitalter der Elektronik. Der Bereich der Computer wächst schneller, als die Firma mitwachsen konnte. Zuse entwickelt noch den Graphomat Z64, einen - vereinfacht gesagt - überdimensionierten Drucker. 


Der Graphomat Z64 // Quelle Flickr.com
Der Graphomat Z64 // Quelle Flickr.com


Doch als es zu Auslieferungsschwierigkeiten des Z25 kommt, findet sich die Zuse KG vor dem wirtschaftlichen Abgrund wieder. Das Unternehmen hat keinerlei finanzielle Mittel mehr. Banken sind nur gegen horrende Zinsen bereit, in die Computertechnik zu investieren und Förderprogramme gibt es nicht.

Selbst Zuse, der Überzeuger, muss sich beugen. Er steigt 1964 als aktiver Teilhaber aus seiner Firma aus. 1967 wird die Firma von Siemens übernommen: Das Ende einer Ära.


Zuse zwischen null und eins

Während die Welt Zuse die Entwicklung des ersten Computers der Welt zugesteht, ist der Mensch Zuse heute wenig greifbar. 

Er war getrieben von seiner Idee, konnte stets Investoren überzeugen und fand seinen Weg auch trotz eines der größten Weltkriege der neueren Geschichte. Menschlich erscheint Zuse als Opportunist, als jemand, der seinen Weg schon irgendwie findet, auch wenn er dafür schon mal Arbeiter aus einem KZ benutzt, sich von den Nazis finanzieren lässt und dafür deren Bomben entwickelt.

Doch während ich als Autorin hin und hergerissen bin, zwischen herausragenden Leistungen, deren Technik ich nur mit Mühe begreife und dem regelrecht standpunktlosen Ausnutzen der kriegstreibenden Nazi-Industrie, kann man doch festhalten: Zuse hat den ersten Computer der Welt gebaut. 

Und die Anerkennung dafür hat er verdient. 


 

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